Mevlanas Biographie

(aus der Webseite unserer Partner in Deutschland)

 

Was macht es aus, dass dieser islamische Dichter und Mystiker bei uns so beliebt ist? Warum befasst sich sogar die UNESCO mit ihm. Das Jahr 2007 hatte die UNESCO zum Jahr von Hz. Mevlana erklärt. Das Ritual der Mevlevi-Derwische, jenes Derwischordens, der ja auf ihn zurückgeht, wurde unter den Schutz der UNESCO gestellt und zum „geistigen und kulturellen Meisterwerk der Weltkultur“ erklärt.

Hz. Mevlanas literarisches Werk führt seit Jahren jetzt schon die Bestsellerlisten in den USA an. Es ist ein unglaubliches Phänomen, dass ein islamischer Gelehrter des 13. Jh. die Bestsellerlisten anführt, wo umgekehrt zum Krieg der Kulturen aufgerufen wird.

Bei uns hier ist Hz. Mevlana mehr unter dem Namen „Rumi“ bekannt. Der Name „Rumi“ heißt soviel wie „der Römer“. Diesen Beinamen bekam er, weil er in Anatolien lebte. Dieses Gebiet gehörte damals bis kurz vor seinem Wirken in Konya zum byzantinischen, also „römischen“ Reich.

Hz. Mevlana Rumi wurde vor ca. 800 Jahren, wahrscheinlich am 30. Sept.1207, in der Stadt Balch im heutigen Afghanistan geboren. Damals war dies in der persischen Provinz Khorassan. Dieses Khorassan war in dieser Zeit eine sehr bedeutende Region in der islamischen Kultur, aus der gewaltige geistige Impulse kamen. Viele der damaligen führenden großen Sufis kamen aus dieser Gegend und viele Wissenschaftler und Philosophen. Man denke z.B. an Bahauddin Naqschsband, einen der großen Väter des nach ihm benannten Naqsbandi-Ordens, oder an Hadschi Bektasch Veli, den Pir und Begründer des gleichnamigen Derwischordens oder z.B. an Avicenna, welcher als Vater der heutigen Medizin gilt. Aber genau diese Blüte der damaligen Kultur wurde zugleich von einem schier übermächtigen Feind bedroht. Dschingis Khans Reiterhorden näherten sich unaufhaltsam auch diesem Gebiet und legten alles, was sich nicht bedingungslos unterwarf in Schutt und Asche. Genau in dieser Zeit wuchs der junge Hz. Mevlana auf.

Seine Mutter Mumine Khatum soll eine Tochter aus der Herrscherfamilie von Balkh gewesen sein und sein Vater Bahauèddin Walad war ein damals sehr bekannter islamischer Gelehrter, der von seinen Kollegen den Beinamen Sultan-Ulema erhielt. Was soviel heißt wie: „König der Gelehrten“. Auch soll sein Vater selbst ein Sufi vom Orden der Kubrevi Derwische gewesen sein. Allerdings gibt es dafür keine wissenschaftlich fundierten Beweise. Durch ihn aber erfuhr der junge Muhammad Dschelaleddin, wie Rumi mit seinem eigentlichen Namen heißt, schon früh eine sufisch geprägte Bildung und Erziehung. Die Geisteshaltung des Vaters stand in mancher Hinsicht aber sehr im Widerspruch zu der von manchen anderen Theologen. Er war jedenfalls bekannt dafür, dass er eine große Abneigung gegen eine bestimmte Behandlung religiöser Angelegenheiten hatte, was ihm nicht nur Bewunderer einbrachte, sondern auch Feinde, die ihm beim Herrscherhaus anschwärzten. Als der Junge elf oder zwölf Jahre alt war, verließ die Familie die Heimatstadt Balkh. Diese wurde dann ein Jahr später von den Mongolen völlig verwüstet und vernichtet.

Es ist zu vermuten, dass der Vater in einem der großen kulturellen Zentren der damaligen islamischen Welt eine neue Anstellung als Lehrer suchte. So reiste Familie über verschieden Städte in Richtung Südwesten und besuchte dabei auch verschiedene bekannte Sufimeister. Darunter Farudeddin Attar in Nischapur oder Umar Surawardi in Bagdad. Die Familie reiste von dort weiter nach Mecca, um die Hadj, die Pilgerfahrt zu absolvieren und weiter nach Medina und dann über Jerusalem weiter nach Damaskus. Wenn man sich diese Strecken einmal auf der Karte ansieht, erkennt man die ungeheueren Anstrengungen, die die Reisenden, unter ihnen der junge Chelaleddin, in jener Zeit erbringen mussten. In Damaskus lebte und lehrte damals der berühmteste aller Scheichs, der gebürtige Andalusier Ibn al Arabi. Auch bei ihm durfte der junge Dschelaleddin etliche Vorlesungen hören. Auch in Aleppo soll er längere Zeit gewesen sein und gelernt haben. Weiter ging aber dann die Reise der Familie in Richtung Norden. In Larende, dem heutigen Karaman, einer Stadt an der Karawanenstrasse zwischen Damaskus und Byzanz, fand die Reise vorerst ein Ende. Hier starb dann seine Mutter und Dschelaleddin heiratete ebendort ein Mädchen namens Gauhar Khatun, welches auch ein Flüchtlingskind aus dem Osten war. In Larende verweilte die Familie ca. drei Jahre. Dann im Jahre 1228 erreichte den Vater der Ruf an eine der Medressen des seldschukkischen Regierungssitzes in Konya. Chelaleddin war inzwischen 21 Jahre alt und hatte, trotz der vielen Reisen, eine für die damalige Zeit hervorragende Ausbildung bekommen. Durch die Beziehungen seines Vaters hatte er bei den berühmtesten Lehrern der damaligen Zeit gelernt und Vorlesungen in einer der vielen Medressen gehört. Im Jahre 1231, also nach drei Jahren in Konya, verstarb sein Vater und der junge Dschelaleddin bekam bald darauf dessen Stelle als Lehrer.

Ein Jahr nach dem Tod des Vaters kam dessen alter Freund, Burhaneddin Burhaqqiq, aus dem fernen Khorassan nach Konya. Er übernahm nun an Stelle des Vaters die Aufgabe des Sufi-Lehrers für den jetzt 25-Jährigen. Es folgten ganz normale Jahre im Leben dieses Menschen, der einesteils Prediger und Lehrer und anderenteils selbst Schüler eines Sufilehres war. 1240 verließ dieser aber wieder Konya und ließ sich in Kayseri nieder, wo sein Grabmal noch heute zu besuchen ist.

Im Herbst des Jahres 1244 kam es aber zu einer entscheidenden Wende im Leben des Dschelaleddin Rumi. Er begegnete dem Wanderderwisch Schams-i Täbrizi. Dieser Schams, was übersetzt „Sonne“ heißt, war ein sehr eigenartiger Zeitgenosse. Ein ungemein ausdrucksstarker und charismatischer Mensch, von allerdings auch sehr scharfen Sarkasmus und schroffer, verletzender Direktheit. Es gibt folgende von ihm selbst stammende Überlieferung. Er hatte alle möglichen Stufen der spirituellen Entwicklung erreicht. Aber es gab kein Wesen, das seine Gegenwart auf die Dauer ertragen konnte. So hatte er Gott gebeten, ihm seine Aufgabe und wenigstens einen Gefährten zu zeigen, der ihn ertragen könne. Da erlebte er des Nachts, dass Gott ihm im Traum sagte: „Geh ins Land Rum und werde der Lehrer deines Scheichs“. Dies ist eine sehr skurrile Aufgabe, denn der Scheich ist ja eigentlich der Lehrer. So kann man entweder der Lehrer oder der Schüler sein. Aber normalerweise sicher nicht beides. Er machte sich aber auf und ging von Täbriz, das im heutigen Persien liegt, in Richtung Westen in das Land Rum. Überall soll er gefragt und gesucht haben. Alle bekannte Scheichs soll er aufgesucht und getestet haben. Und so kam er dann eines Tages auch nach Konya. Über sein erstes Treffen mit Rumi gibt es verschiedene Geschichten. Eine davon berichtet folgendermaßen:

Der Gelehrte Dschelaleddin Walad kam auf seinem Maulesel sitzend, umringt von Studenten von einer Vorlesung, als ihm ein Wanderderwisch, eben jener Schams-i Täbrizi, den Weg abschnitt und ihm eine Frage stellte: „Oh Meister, sage mir bitte, wer ist erhabener einzuschätzen, Muhammad oder Bayazit (sehr bekannter früher Sufi)?“ Die Antwort war für den Gelehrten und Prediger sehr einfach: „Muhammad ist das Siegel aller Propheten, was hat er mit Bayazit zu tun? Man kann sie nicht vergleichen.“ Der Derwisch aber bohrte weiter: „Warum sagte dann der Prophet des Islam über seine Beziehung zu Gott: „Wir können Dich nicht kennen, wie es Dir gebührt“, während Bayazit die Worte sprach: „Subhani- ma a`zma scha`ni! – Preis sei Mir, wie groß ist Meine Majestät!“ Als Mevlana diese Worte vernahm, soll er, ob ihrer Ungeheuerlichkeit ohnmächtig zu Boden gestürzt sein. Was auch immer der Grund dafür war, fest steht, dass von diesem Augenblick an, diese zwei Menschen unzertrennliche Freunde wurden.

40 Tage und Nächte sollen sie sich zurückgezogen haben. Mevlana vernachlässigte seine Pflichten als Lehrer, Rechtsgutachter und Familienvater völlig. Tag und Nacht war er mit diesem Wanderderwisch zusammen. Die Familie und die Konyaer Gesellschaft waren schockiert. Die Wanderderwische standen in keinem guten Ruf. Gab sich nicht so mancher Herumtreiber und Tagedieb als Wanderderwisch aus? Dieser hier zeichnete sich neben seiner abgerissenen Kleidung, auch noch durch schlechte Manieren und einen besonders scharfen Sarkasmus aus. Für Mevlana Rumi war er aber der Inbegriff des Gottesliebenden. Durch ihn erfuhren seine bisher gemachten Erfahrungen und seine theoretischen Erkenntnisse eine völlig neue und total lebendige Bedeutung.

Das Tauhid, das islamische Einheitsbekenntnis: „La ilaha iIlallah“ (Es gibt keine Gottheit außer Gott) erfuhr durch Schams eine völlig neue Bedeutung, eine gelebte Erfahrung. Er erfuhr jetzt endlich die göttliche Einheit hinter allem Fassbaren, einer Erfahrung nach der sich jeder Derwisch, auch heute, so sehr sehnt. Schams erweckte in Mevlana das Feuer der Liebe. Jener Liebe, durch die sein persönliches, imaginäres Ich völlig verbrannt wurde. Mevlana, selbst schon längst Meister, wurde durch diesen Meister der Liebe zu einem völlig neuen geformt. Wie Schams von sich selbst gesagt haben soll, sei es nie seine Aufgabe gewesen, Schüler zu lehren, sondern seine Aufgabe sei es, den Meister vollkommener zu machen.

Statt Vorlesungen zu halten, zu beten und zu predigen, fing Rumi jetzt an zu tanzen, zu wirbeln und zu dichten. Mit der Zeit wurde Schäms aber, von manchen Schichten der Bevölkerung, ziemlich angefeindet. Als er schließlich dann sogar mit dem Tod bedroht wurde, verschwand er plötzlich spurlos und ohne sich zu verabschieden. Überall ließ Mevlana nach ihm suchen. Endlich kam glaubhafte Nachricht, dass man ihn in Damaskus gesehen hatte. Er schickte ihm viele Geschenke mit der Bitte wieder zu kommen. Er kam nicht. Erst als er seinen Sohn Sultan Walad nach Damaskus sandte, um ihn zu bitten zu kommen, gab er endlich nach. Den ganzen weiten mühseligen Weg von Damaskus nach Konya ging Sultan Walad, das Pferd des Freundes führend, zu Fuß. Abermals waren die beiden Freunde unzertrennlich. Zugleich aber war Shäms wieder der Anlass für vieles Üble in der Konyaer Gesellschaft. Mevlana vernachlässigte abermals seine Pflichten aufs äußerste. Wieder gab es keine Predigten mehr und wieder keine Vorlesungen. Shäms war für ihn das Spiegelbild Gottes geworden. In ihm erkannte er den ewigen Geliebten. Um ihn besser in seiner Nähe zu halten, gab Hz. Mevlana ihm sogar seine Ziehtochter Kimiya zur Frau. Schäms soll sie sehr geliebt haben. Nach nur einem Ehejahr verstarb diese aber schon und kurz danach verschwand Schäms wieder aufs Neue, diesmal aber für immer. Sein Schicksal bleibt im Dunkel. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde er ermordet. Sogar Mevlanas zweiter Sohn soll darin verwickelt gewesen sein. Mevlana hat diesen jedenfalls enterbt. Man scheint ihn nachts aus dem Haus gerufen und dann ermordet zu haben. Wer seine mutmaßliche Grabstätte in Konya besucht, wird verstehen von wem wir hier sprechen, denn an diesem Ort herrscht ein besonderes Maqam, eine besondere Schwingung. Man versuchte die Wahrheit vor Mevlana zu verschleiern, aber er ließ sich nur äußerlich trösten, denn er in seinem Inneren wusste er was passiert war.

„Diese Erde ist kein Staub, sie ist ein Gefäß voll Blut“ sinnierte er. Als man zu ihm sagte, Schams sei auf dem Weg nach Syrien gesehen worden, antwortete er mit den Worten: „Ist dies der Weg zum Himmel?“ Es gab Zeiten, da er jeden, der ihm erzählte, Schams gesehen zu haben, beschenkte. Ja, er suchte ihn zwar, aber er wusste zugleich, dass er ihn nie mehr sehen würde. Nach langen Suchen und nach langer Entbehrung fand er ihn dennoch wieder. Er fand ihn wieder im eigenen Herzen.

Sein Sohn Sultan Walad berichtet uns darüber:

„Er sah Shams-i Tabriz nicht in Damaskus,
Er sah ihn in sich selbst, klar wie den Mond.
Er sprach: Bin ich auch körperlich fern von ihm,
Ohne Körper und Seele sind wir beide ein Licht.
Sieh sowohl ihn als auch mich:
Ich bin er und er ist ich, oh Suchender!“

Mevlana und Schäms waren vereint. Seine Gedichte trugen von nun an im Schlussvers, in dem sich der Dichter üblicherweise zu erkennen gab nicht den eigenen Namen, sondern den von Schäms. So heißt auch seine riesige, fast vierzigtausend Verse umfassende Gedichtsammlung nicht Diwan-i Mevlana sondern Diwan-i Schäms-i Täbrizi.

Noch mehrere Male hat er den Spiegel Gottes in einem seiner Schüler gesehen. So verband ihn und dem Goldschmied oder Goldschläger Salaheddin Zarkubi ein besonderes Verhältnis und auch zu seinem Schüler und späteren Stellvertreter Husameddin Celebi. Diesem ihm völlig ergebenen Schüler, diktierte er dann sein Mesnevi in die Feder. Jenes Lehrbuch, das bald zum klassischen Lehrbuch des Sufitums wurde.

Mesnevi ist eigentlich kein Eigenname oder Titel eines Buches, sondern eine bestimmte Art von Dichtung, die damals vielfach im persischen Sprachraum Verwendung fand, meist für Lehrepen. Schon Attar und Sana`i hatten vor Mevlana solche Mesnevis geschaffen. Aber wenn man heute vom Mesnevi oder Mathnawi spricht, meint man zuallererst jenes von Hz.Mevlana.

Der zuerst schon angesprochene Schüler Husameddin Çelebi schlug eines Tages seinem Meister Dschelaleddin Rumi vor, doch auch so ein Mevnevi zu verfassen um etwas von seinem ungeheueren Wissen der Nachwelt zu erhalten. Da lüftete der Meister den Turban und herab fiel eine Schriftrolle auf der die ersten 18 Doppelverse geschrieben waren. Es waren die einzigen, die er selbst schrieb. Ob ihres geheimnisvollen Ursprungs stehen sie in besonderem Ansehen bei den Mevlevi-Derwischen. Alle anderen der ca. 25.000 Doppelverse diktierte er seinem Schüler Husamaddin in die Feder. Viele Jahre floss der Strom der Inspiration aus ihm. Sechs Bücher füllt sein Mesnevi. Kurz vor seinem Tod erst kam dieser Strom zum Erliegen. Das Mesnevi wurde für die Sufis zum Buch der Bücher. Der einst sehr berühmte persische Dichter und Mystiker Dschami schrieb im ausgehenden 15.Jh.. darüber: „Das Mesnevi Maulana Rumis ist der Quran in persischer Zunge“ oder über Mevlana: „Er ist zwar kein Prophet aber doch hat er ein Buch“.

Parallel dazu entstanden noch der Diwan-i Shämsi Täbrizi und das Rubajat mit zusammen fast 50.000 Doppelversen. Er, der ursprünglich nicht sehr viel dichtete, war durch die Begegnung mit Schäms völlig umgeformt worden, sodass er, selbst für die Welt gestorben oder entworden (Fana), wie es die Sufis nennen, empfänglich wurde für die göttliche Inspiration, die ihn in der Folge zu einem der größten mystischen Dichter der Menschheit machte. Der große österreichische Orientalist Joseph Hammer-Purgstall sagte 1818 von ihm sehr schön und auch treffend:

„Auf den Flügeln der höchsten religiösen Begeisterung, welche hoch erhaben über alle äußeren Formen positiver Religionen, das ewige Wesen in der vollkommensten Abgezogenheit von allem Sinnlichen und Irdischen, als den reinsten Quell des ewigen Lichtes anbetet, schwingt sich Mevlana nicht wie andere lyrische Dichter, ….., bloß über Sonnen und Monde, sondern über Zeit und Raum, über die Schöpfung und das Los, über den Urvertrag der Vorherbestimmung und über den Spruch des Weltengerichtes in die Unendlichkeit hinaus, wo er mit dem ewigen Wesen als ewig Anbetender und mit der unendlichen Liebe als unendlich Liebender in Eines verschmilzt…“

Mit den zuerst schon angesprochenen ersten 18 Doppelversen wird das Mesnevi eingeleitet und zugleich sein ganzer Inhalt angerissen. Diese ersten Verse erzählen von der Rohrflöte, der Ney, die von ihrem Heimatort, dem Schilf, herausgeschnitten wurde und nun mit ihrem klagenden, sehnsüchtigen Laut von ihrem tiefen Trennungsschmerz erzählt. So wie der Mensch, der einst von Gottes Urgrund entfernt wurde, sich zurücksehnt nach dieser seiner Urheimat. Es ist jenes Bild, das die Sufis in allen verschieden Wegen und Orden, gemeinsam haben. Das Bild des Urvertrages Gottes mit der Menschheit, das dem Qur’an entnommen ist, wo Gott die noch ungeschaffene Kreatur fragte: „Bin Ich nicht euer Herr?“ und diese noch nicht geschaffen Wesenheiten ihm antworteten: „Wahrlich wir bezeugen, du bist unser Herr!“ Es ist das Bild der ursprünglichen Einheit von Allem, dessen Einzelteile sich sehnen wieder zu ihren Ausgangsort zurückzukehren. Es handelt sich hier zwar um Mystik und nicht um Physik, aber es scheint hier die Urknalltheorie ziemlich nahtlos hineinzupassen.

Diese ersten Verse beginnen nicht, wie man annehmen müsste mit der „Basmallah“, jenem Wort, mit dem alles Tun in der islamischen Welt begonnen werden soll, dem Wort, mit dem der Hl. Qur’an beginnt, dem Vers: „Bismiallahirrahmanirrahim – Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Allerbarmers.“ Sondern das Mesnevi beginnt mit dem Wort: „Hören.“

Hör auf der Flöte Rohr, was es verkündet,
hör wie es klagt von Sehnsuchtsschmerz entzündet,
als man mich abschnitt am beschilften See,
da weinte alle Welt mit meinem Weh…

Diese Verse erzählen von der Sehnsucht des Menschen nach seiner Urheimat. Sie erzählen von jenem brennenden Gefühl der Sehnsucht nach Erkenntnis, das mehr oder weniger wahrgenommen in jedem Menschen schlummernd oder brennend vorhanden ist.

Schon zu Beginn haben wir gefragt: Was macht aber seine Beliebtheit hier im Westen aus? Warum begeistern sich immer mehr Menschen im Westen für ihn? Und wie auch schon erwähnt, führt er seit Jahren die Amerikanischen Bestsellerlisten an. Wir glauben es ist diese universelle Botschaft, die uns im Westen hier so fasziniert. Jeder kann etwas für sich drin finden. So werden seine Aussprüche oft in psychologischen Seminaren verwendet. In fast jedem Büchlein mit Weisheitssprüchen ist er vertreten.

Bei Hz. Mevlana stoßen wir laufend und das seit nunmehr über 700 Jahren, auf die Wichtigkeit des Einsetzens der Vernunft. Dies sind immerhin 500 Jahre vor der Aufklärung. In seinem Mesnevi gibt es unzählige Abhandlungen über den Vorrang der Vernunft. Unvermittelt führt er uns aber dann wieder zur Extase. Extase und Vernunft, welch seltene Symbiose. Bei Hz. Mevlana kann man glauben und vernünftig sein, kann man völlig in Liebe oder verrückter Verliebtheit brennen und trotzdem wird man immer wieder zur Vernunft gerufen. Es ist diese universelle, aber auch zugleich intime und private Einstellung, mit der man sich auch hier im Westen so leicht identifizieren kann.

Auch die Gurus der New Age Szene verwenden ihn sehr gerne für sich und reklamieren ihn als einen der ihren. Die eigenen Ansichten finden dann oft Entsprechungen in den Weisheiten des Mevlana. Durch ihn erfahren sie dann auch die nötige Legitimation, bzw. sie verstehen es oft, ihn zur Legitimation für den eigenen, manchmal auch sehr abstrusen spirituellen Cocktail zu verwenden.

Am 17. Dezember 1273, kurz nachdem das Mesnevi vollendet war, verließ Hz. Mevlana diese Erde für immer. Die Trauerfeier soll drei Tage gedauert haben bei Musik und Wirbeltanz. Muslime, Juden und Christen sollen getrauert haben. Auch heute noch wird sein Todestag jährlich von seinen Freunden gefeiert. Wir nennen diesen Tag Sheb-I Arus, sein Hochzeitsfest. Er feierte die von ihm ersehnte Hochzeit, mit seinem Ewigen Geliebten. Und so steht auf seinem Sarkophag geschrieben:

Wenn aus meinem Staube Weizen sprießt – Bäckst du Brot daraus und es wächst die Trunkenheit!
Teig und Bäcker werden ganz besessen, selbst der Ofen singt berauschte Verse.
Kommst du meine Grabstätte besuchen, scheint vor dir der (Grab)Hügel selbst zu tanzen…
Komm zu meinem Grab nicht ohne Trommel, denn bei Gottes Fest ziemt sich kein Kummer…
Ich bin Rausch, der Liebeswein mein Ursprung – Sag, was außer Trunkenheit könnt von mir kommen?