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Mevlanas Versunkensein und Entwerden

(von Şefik Can Efendi)

Die wunderschönen berührenden Gedichte von Hz. Mevlana entstanden in seinem durch die Gottesliebe entwordenen Zustand. Doch was ist dieser Zustand des Entwerden?

Die besonderen Geschöpfe Gottes und die Heiligen geraten, wenn sie die Gottesnähe und die Stufe der Vereinigung erreicht haben, durch Gottes Anmut, Schönheit, Allmacht und Grösse in Staunen.

Durch die unsagbar schöne Wirkung des Schöpfers geraten sie in eine Versunkenheit, wie wenn sie einen geistigen Wein, ähnlich dem irdischen-, getrunken hätten. In einer Hadith unseres Propheten wird ebenfalls über diese Versunkenheit und dieses Entwerden berichtet:

„Der Allmächtige hat für seine heiligen Diener einen solchen Wein vorbereitet, dass sie, wenn sie von ihm trinken, berauscht werden. Wenn sie in diesen berauschten Zustand gelangen, fallen sie in Versunkenheit und schweigen.“ Von unserem Propheten wird berichtet:

„Der Abstand zu Ihm war zwei Bögen entfernt oder noch näher.“ (53/9) Wie diese Sure uns berichtet, wurde er beehrt, sich dem Allmächtigen zu nähern; als er dann das Ehrengeschenk erlangt hatte, den ruhmreichen Allmächtigen mit seinen Herzensaugen zu sehen, als er dieses göttliche anvertraute Gut, dieses göttliche Zeichen gewahrte, versank er in einen unbeschreiblichen geistigen Genuss. Dieser geistige Wein, der unseren erhabenen Propheten berauscht hatte, ist der Wein der Liebe und der Wahrheit.

Mevlana hat viele Gedichte über diesen geistigen Wein rezitiert, der die heiligen Gottesdiener in Versunkenheit brachte.

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Mevlanas Kampf und Askese

(von Şefik Can Efendi)

Mevlanas Weg war der Weg des Propheten Mohammed. Bei jeder seiner Handlungen nahm er ihn als Beispiel. Durch die starke Gottesliebe, die er spürte, lebte er ganz für das Gebet, für das Ziel Verwirklichung der Gebote und für die Askese.

In seinem Gedicht Nr. 1438 im Divan-i Kebir beschreibt er seinen Zustand so:

„Ich bin wie ein Verrückter, weil mein armes Herz, das seine Hände und Füsse verloren hat, keine Kraft mehr hat, gegen Seine Liebe Widerstand zu leisten. Tag und Nacht kaue ich an der Liebeskette, die mich gefesselt hält. Ich bin in Blut versunken. Ich habe Angst, dass wenn die Vision des Geliebten kommen sollte, während ich nicht wach bin, ich ihn mit Blut des Herzens bespritze. Frag die Feen über die Nächte, die dieser Liebende weinend, flehend und in Liebesfeuer verbrennend verbringt. In der Dunkelheit während ich hin und her wandere, berührt mein Fuss die Feen. Mein Herz, in tausend Stücke zerschmettert, brennt die ganze Nacht und wandert wie ein Stern am Himmel. Durch den Zauber des unbarmherzigen Geliebten verbringe ich schlaflose Nächte. Geliebter, lass mich durch deine Liebe ein Feuerkleid tragen wie die Sonne. Lass mich mit diesem Feuer die ganze Welt ausschmücken und erleuchten wie die Sonne….“

Mevlana weist in einem anderen Gedicht wiederholt auf diesen Zustand hin:

„Alle haben geschlafen, nur ich, der Verliebte, kann nicht schlafen. Die ganze Nacht zählen meine Augen die Sterne am Himmel. Deine Liebe hat den Schlaf meiner Augen entführt, so dass er nie wieder kommen wird. Mein Schlaf hat das Gift deiner Trennung getrunken und ist gestorben.“

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Mevlanas Moral und Charakter

(von Şefik Can Efendi)

Trotz seiner Gelehrsamkeit war Mevlana sehr demütig und einfach. Er benahm sich allen Menschen gegenüber sehr bescheiden, unabhängig ihres Ranges und ihrer Position. Er ordnete die Menschen nicht nach jung und alt putty download , gläubig oder ungläubig. In Mevlanas Verhalten erkannte man nie Hochmut, Stolz oder Selbstgefälligkeit.

Wir sollten den Verse Nr. 1304 im Firuzanfer lesen und uns daran ein Beispiel nehmen:

„Sie haben meinen Turban, meine Robe und meinen Kopf, alles zusammen bewertet und einen Preis von weniger als einem Rappen gegeben. Hast du denn meinen Namen auf dieser Welt noch nie gehört? Ich bin ein Nichts, Nichts, Nichts.“

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Mevlanas äusseres und inneres Aussehen

(von Şefik Can Efendi)

Es gibt viele Fantasieprodukte wie Bilder, Porträts und Miniaturen von Mevlana. Man schreibt sogar über Maler, die seinerzeit Mevlanas Porträt gemalt haben sollen. Können wir uns aufgrund dieser Erzählungen und Bilder Mevlanas Physiognomie, sein äusseres Aussehen vorstellen?

Mevlana war anscheinend schlank, hatte eine blasse Gesichtsfarbe und einen zierlicher Körperbau. Trotz seiner blassen Gesichtsfarbe besass Mevlana ein gütig leuchtendes und majestätisches Äusseres.

Der segensreiche Heilige hatte sehr anziehende Augen. Diese waren feurig und scharf. Der Anblick seiner leuchtenden Augen war sehr beeindruckend. Wenn ihn jemand, der ihn nicht kannte, erblickte, wurde er sofort von seinem mächtigen Blick beeinflusst und wendete sich ab.

Das sind die äusseren Beschreibungen von Mevlana. Doch wie war seine innere Welt?

Mevlana spricht im Mesnevi, B. ll, Nr. 95:

„Wie kann ich mein eigenes Gesicht sehen? Was für eine Farbe habe ich wohl? Habe ich ein fleckenloses, reines Gesicht? Oder bin ich jemand mit schmutzigem und sündigem Gesicht? Wie kann ich das sehen?

So zappelte ich und wollte herausfinden, wie mein inneres Gesicht und mein Herz aussieht. Doch mein inneres Gesicht konnte ich an niemandem sehen, nichts konnte mir mich zeigen. Ich fragte mich, warum ist der Spiegel erfunden worden, was hat er für eine Funktion? Ist er nicht deswegen erfunden worden, damit sich jedermann im Spiegel sehen kann? Doch dieser Spiegel ist erfunden worden, um unseres Äusseres zu zeigen. Aber wo ist der Spiegel, der das Gesicht unseres Herzens zeigt? Wie sieht dieser Spiegel aus? Ein Herzensspiegel ist sehr teuer, er ist sehr wertvoll. Denn der Herzensspiegel kann lediglich das Gesicht des Geliebten sein. Das Gesicht des Geliebten, der unser inneres Aussehen, unser Herzensgesicht zeigt, ist nicht von dieser Welt. Es ist in der geistigen Welt.“

Diesen Heiligen, der durch seinen Vater, dem Sultan der Gelehrten, in geistlichem Wissen und guten Sitten aufgezogen worden ist und im Liebestiegel verbrannte, kann niemand verstehen und beschreiben, wie er es würdig ist. Er war ein grosses Wesen, das sich durch Gottesliebe von Hass, Abscheu, Bosheit, Egoismus und von allen menschlichen Wünschen befreit hatte. Er war ein edler Spender und Wohltäter auf der höchsten Stufe, ein Liebender und Wissender. Als er dann in das Meer der Liebe und Weisheit versank, befreite und löste er sich von Gegensätzen wie Gut und Schlecht.

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Das Besondere an Mevlanas Leben

Sefik Can berichtet: „Ich besitze viele Bücher in türkischer und in anderen Sprachen, die über Mevlanas Leben berichten. Doch in keinem dieser Bücher konnte ich Mevlana finden. In diesen Büchern sind Mevlanas Vater Sultanü’l-ulema, sein Scheich Seyyid Burhaneddin-i Tirmizî, Schems-i Tebrizi, der Goldschmied Selahaddin und Celebi Hüsameddin erwähnt, jedoch der Sultan unserer Herzen kommt darin nicht vor.

Wenn wir ein Buch aufschlagen über eine berühmte Persönlichkeit, die „einen angenehmen Klang auf dieser Welt“ hinterlassen hat, erfahren wir darin etwas über die Person: angefangen von ihrer Geburt bis zu ihrem Tod, was sie erlebt hat und welche Werke sie vollbracht hat. Alles über diese Persönlichkeit wird berichtet. Doch in Mevlanas Werken wird Mevlana selber nicht erwähnt. Wo ist Mevlana?

Mevlana hat sich im Herzen und im Leben derjenigen versteckt, die ihn lieben. Im Divan-i Kebir, dem Buch, das Tausende von Gedichten voll tiefer Bedeutung umfasst, und in einer sinnlichen Sprache verfasst ist, wie sie sonst keinem Dichter eigen ist, ist der Name Celaleddin-i Rumi als Dichter nicht zu finden. Auch hat er sein Werk Mesnevi-Sherif nicht unter seinem Namen herausgegeben, sondern es ist Celebi Hüsameddin gewidmet. Wie Mevlana seinen Namen in seinen Werken versteckt hat, so hat er auch sein Leben im Herzen derjenigen, die ihn lieben, versteckt.“

Der Weg des Derwisch

Der Weg des Derwisch (Dez 2001)

Der Weg des Derwisch – Ein Beitrag unseres Bruders und Scheichs Süleyman Bahn aus Nürnberg, Dezember 2001

Die Islamische Religion regelt, wie alle bekannten Religionen, die menschliche Existenz in exoterischer, also weltlicher Richtung und in esoterischer, also innerer oder geistiger Richtung. Diese geistige Richtung des Islam wird im Allgemeinen als Sufismus bezeichnet. Sie ist der mystische Teil des Islam. Der Inhalt des mystischen Teiles lässt sich in wenigen Worten natürlich nicht beschreiben. Der Suchende wird hier auf die vielen Sachbücher zum Thema Sufismus verwiesen. Es lässt sich aber für alle Sufiwege sagen, dass der Mittelpunkt der verschieden Lehren das Einheitsbekenntnis, das Tawhid (gesprochen Tauwid) ist.

Dieses durch Hz. Mohammed (der Friede und das Wohlgefallen Gottes seien mit Ihm) offenbarte Kernstück des Islam heißt

LA ILLAHE – IL ALLAH

Wörtlich übersetzt heißt das

Da ist kein Gott – da ist Gott

Im Allgemeinen wird es übersetzt mit

Es gibt keinen Gott, außer (dem einen) Gott Weiterlesen

Links

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Internationale Mevlana Stiftung

Sufismus

Islam

Diverse, die sich mit Sufismus befassen

Das Ritual des Semâ (Kurzbeschrieb Jan 2013)

Das Ritual des Semâ (bedeutet das Hören auf den Klang der anderen Welt) fand seinen Ursprung in einer Inspiration von Hz. Mevlana Celaleddin Rumi, erhielt aber seine Form erst nach dem Tode Mevlânâs (17. Dez. 1273), beeinflusst durch kulturelle und soziale Gewohnheiten der heutigen Türkei. Das Ritual wird auch Mukabele genannt, was „Begegnung von Angesicht zu Angesicht“ bedeutet.

Es ist wissenschaftlich anerkannt, dass die grundlegende Voraussetzung für unsere Existenz eine Drehbewegung ist. Es gibt kein Wesen oder Objekt, das sich nicht dreht, denn alle Wesen bestehen aus Atomen mit kreisenden Elektronen, Protonen und Neutronen. Alles kreist, und der Mensch lebt dank der Teilchenbewegung, dem Blutkreislauf und den Lebenszyklen mit dem Erscheinen aus der Erde und dem Wiederkehren zur Erde.

 

Nun, alle diese Bewegungen sind natürlich und unbewusst. Doch der Mensch besitzt Bewusstsein und Intelligenz, was ihn von anderen Lebewesen unterscheidet. Somit nimmt der Drehende Derwisch oder Semazen absichtlich und bewusst an den Bewegungen teil, denen alle Lebewesen unterworfen sind.

 

Entgegen der üblichen Meinung ist es nicht das Ziel des Semazen, in eine Ekstase zu verfallen. Vielmehr dreht er in Harmonie mit der Natur, mit den kleinsten Zellen und den Sternen am Himmelsgewölbe, und ist damit Zeuge für die Majestät und Existenz des Schöpfers; er denkt an IHN, gibt IHM allen Dank und betet zu IHM. In diesem Tun bestätigt der Semazen das Wort des Korans: “Was im Himmel und auf Erden ist, preist den Einen Gott” (64:1).

 

Eine wichtige Eigenart dieses mehrere hundert Jahre alten Rituals ist das Zusammenführen der drei fundamentalen Komponenten der menschlichen Natur, nämlich dem Verstand (durch Wissen und Gedanken), dem Herzen (durch den Gefühlsausdruck, Poesie und Musik) und dem Körper (durch das Anspornen des Lebens und dem Drehen). Diese drei Elemente werden zusammengeschweisst – sowohl theoretisch wie praktisch.

 

Die Zeremonie des Semâ ist voller Symbolik über den spirituellen Weg des Menschen. Im Drehen der Wahrheit entgegen wächst er durch Liebe, übersteigt (transzendiert) das Ego, trifft auf die Wahrheit und erlangt Vollkommenheit (al-Kamil).  Dann kehrt er zurück von seiner spirituellen Wanderung, befähigt zu lieben und dieser Schöpfung mit allen Geschöpfen zu dienen, ohne Unterscheidung von Glaube, Klasse oder Rasse.

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Der internationale Mevlevi-Orden

Am 17. Dezember 1273 starb in Konya (heutige Türkei) der grosse Heilige und Mystiker Muhammad Cellaleddin Rumi, der von seinen Anhängern mit dem Ehrentitel „Mevlana“ (unser Meister) angerufen wird. Er hinterliess ein literarisches Werk, das Dichter und Denker der islamischen Welt stark beeinflusste und bis heute begeistert. Der grosse persische Dichter Jami schrieb über ihn: „Er ist kein Prophet, und doch hat er ein Buch“. Dieses „Buch“ – das Mesnevi (oder Mathnawi) – ist ein aus rund 26’000 Versen bestehendes mystisches Lehrgedicht, das den meisten islamisch-mystischen Schulen bis in die heutigen Tage als wichtige Basis dient. Im weiteren schrieb Mevlana rund 36’000 Verse lyrischer Poesie sowie einige Prosaschriften. Auch einige Predigten und Briefe blieben erhalten.

Nach Mevlanas Tod vereinigten sich seine Schüler und Anhänger, um im Geiste dieses Heiligen weiter an sich selbst arbeiten zu können. Es entstand so eine der grossen orientalischen religiösen Schulen (Tarîqah), die – als Orden vorwiegend in Klostergemeinschaften (Tekke, Dergah) organisiert – den tieferen Sinn der im Islam verkündeten Einheit allen Seins (Tawhîd) lehrten und die Schüler mit Gebet und Exerzitien im religiösen Bewusstsein sensibilisierten und zu charakterlicher Stärke verhalfen. Im 19. Jahrhundert erwachte auch im Westen das Interesse für die Werke Mevlanas (z.B. deutsche Nachdichtungen von Friedrich Rückert), und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden erste umfassende Prosaübersetzungen des Mesnevi, von denen die Übersetzung ins Englisch von Reynold A. Nicholson noch heute zu den bekanntesten gehört. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Rahmen eines wachsenden Interesses für Esoterik, erwachte im Westen das Interesse für die Weisheiten der islamischen Mystiker, die unter den Begriffen „Sufismus“ oder „Tasawwuf“ bis in die Gegenwart in unzähligen Büchern und Schriften abgehandelt werden. Heute ist Mevlana in den USA der meist zitierte Dichter, und unzählige Gruppierungen befassen sich in lockerer oder strenger Art mit den Werken Mevlanas und den Exerzitien der Mevlevi. Vor allem das Drehritual (Sema) mit seinen „Tanzenden Derwischen“ (was für ein unpassender Ausdruck!) erweckt viel Aufmerksamkeit.

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Die Geschichte der Mevlevi

(Mit Hilfe unserer Partner in Deutschland)

 

Mevlana Celaleddin Rumi, der die verschiedenen Stufen der Erkenntnis und der Liebe während der Zeitabschnitte, die mit der Bezeichnung „vor Shams“ und „nach Shams“ bekannt geworden sind, überschritten hatte, hinterließ ein großartiges Erbe aus Prosa und Lyrik, das die mystischen Geheimnisse ekstatischer Momente der göttlichen Verzückung enthüllt, allem voran sein Meisterwerk, das Mathnawi (auch Mesnevi), einem viel bestaunten Handbuch für das menschliche Dasein. Unabhängig von seinem Werk führte er – was vielleicht noch wichtiger ist – ein vom Islam bestimmtes Leben, verdeutlicht durch seinen eigenen Leitspruch „ein Diener des Qur’an und Staub auf dem Weg des Propheten“, zu sein, ein Paradigma, das von allen Muslimen nachgeahmt werden sollte.

Waren nun all diese Lehren, die einmal eilig, ein andermal ausführlich vermittelt und durch kluge Gleichnisse für jeden Zuhörerleicht verständlich gemacht wurden, dazu bestimmt, ihre Mission zu erfüllen, als Rumi seinen letzten Atemzug tat? Oder sollte dieser Gemütszustand, eingebettet in Liebe und Duldsamkeit, dazu bestimmt sein, schon nach wenigen Generationen in Vergessenheit zu geraten? Tatsächlich wies Rumi noch zu Lebzeiten mit dem folgenden Ausspruch auf diese Umstände hin: „Das Mathnawi wird nach unserer Zeit als Führer wirken und den Unschlüssigen den rechten Pfad weisen“. Rumi hinterließ ein gewaltiges Erbe, das keineswegs in Vergessenheit geriet, sondern im Gegenteil an Bedeutung zunahm und das darüber hinaus als einzigartige Auslegung des Qu’ans anerkannt wurde.

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