Am 17. Dezember 1273 starb in Konya (heutige Türkei) der grosse Heilige und Mystiker Muhammad Cellaleddin Rumi, der von seinen Anhängern mit dem Ehrentitel „Mevlana“ (unser Meister) angerufen wird. Er hinterliess ein literarisches Werk, das Dichter und Denker der islamischen Welt stark beeinflusste und bis heute begeistert. Der grosse persische Dichter Jami schrieb über ihn: „Er ist kein Prophet, und doch hat er ein Buch“. Dieses „Buch“ – das Mesnevi (oder Mathnawi) – ist ein aus rund 26’000 Versen bestehendes mystisches Lehrgedicht, das den meisten islamisch-mystischen Schulen bis in die heutigen Tage als wichtige Basis dient. Im weiteren schrieb Mevlana rund 36’000 Verse lyrischer Poesie sowie einige Prosaschriften. Auch einige Predigten und Briefe blieben erhalten.
Nach Mevlanas Tod vereinigten sich seine Schüler und Anhänger, um im Geiste dieses Heiligen weiter an sich selbst arbeiten zu können. Es entstand so eine der grossen orientalischen religiösen Schulen (Tarîqah), die – als Orden vorwiegend in Klostergemeinschaften (Tekke, Dergah) organisiert – den tieferen Sinn der im Islam verkündeten Einheit allen Seins (Tawhîd) lehrten und die Schüler mit Gebet und Exerzitien im religiösen Bewusstsein sensibilisierten und zu charakterlicher Stärke verhalfen. Im 19. Jahrhundert erwachte auch im Westen das Interesse für die Werke Mevlanas (z.B. deutsche Nachdichtungen von Friedrich Rückert), und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden erste umfassende Prosaübersetzungen des Mesnevi, von denen die Übersetzung ins Englisch von Reynold A. Nicholson noch heute zu den bekanntesten gehört. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Rahmen eines wachsenden Interesses für Esoterik, erwachte im Westen das Interesse für die Weisheiten der islamischen Mystiker, die unter den Begriffen „Sufismus“ oder „Tasawwuf“ bis in die Gegenwart in unzähligen Büchern und Schriften abgehandelt werden. Heute ist Mevlana in den USA der meist zitierte Dichter, und unzählige Gruppierungen befassen sich in lockerer oder strenger Art mit den Werken Mevlanas und den Exerzitien der Mevlevi. Vor allem das Drehritual (Sema) mit seinen „Tanzenden Derwischen“ (was für ein unpassender Ausdruck!) erweckt viel Aufmerksamkeit.