Jesus im Koran (Mai 2018)

Jesus im Koran

(aus einem Referat von Peter H. Cunz, am 31. Mai 2018 in Thun)

 

Im 2. Jhd. lebte der Gelehrte Galenos von Pergamon. Er galt als einer der grössten Wissenschaftler aller Zeiten und wurde während 1500 Jahren nicht hinterfragt. Und was sagt der grosse Mystiker Celaleddin Rumi über ihn? Ich zitiere einen Vers aus seinem Lehrwerk (Mesnevi 1:528):

 

Unzählig sind die Künste des Galen; im Vergleich zu Jesus und seinem Atem sind sie lächerlich.

 

Jesus trägt im Islam einen hohen Rang und wird sehr verehrt. Er ist vor allem für seinen reinen Atem bekannt, mit dem er Menschen heilte und Tote zum Leben erweckte. Im Koran (3:49 und 5:110) und den islamischen Überlieferungen wird das so genannte Vogelwunder erwähnt, weil er schon als Jüngling aus Ton geformte Vögel lebendig machte, indem er seinen Atem auf sie hauchte.

Jesus kann von verschiedenen Blickwinkeln gesehen und erfahren werden. Uns hier im Abendland ist die Sicht der katholischen Kirche des 4. Jhds vertraut, aus dem dann das christliche Grundverständnis und Selbstverständnis entstand. Noch heute sind unsere Bilder, die wir von Jesus machen, geprägt von einer mittelalterlichen Romantisierung. Jesus sah sicher nicht so aus, wie er bildlich dargestellt wird: mit athletischem Körper idealer Masse, mit europäischen Gesichtszügen und mit langen Haaren. Es ist wahrscheinlicher, dass er etwa so aussah, wie auf Gemälden seine Apostel dargestellt werden: mit Hakennase und schwarzem krausem Haar.

 

Warum erwähne ich das? Jesus wird im Islam als Prophet in der Prophetenlinie der monotheistischen Religionen verstanden. Propheten sind von Gott auserwählte Menschen, die als Sprachrohr Gottes der Schöpfung dienen. Als Rabbiner verrichtete Jesus täglich drei Hauptgebete, gab jährlich den Zehnten ab und übte sich in der Einhaltung aller jüdischer Regeln. Im Respekt für das Bilderverbot im 2. und 5. Buch Mose trifft man im Islam nur selten auf bildliche Darstellungen von Propheten. Zur Erinnerung sei dieses grundlegende Verbot des Monotheismus zitiert, auch zur Verdeutlichung der im Koran immer wieder anzutreffenden Ermahnung, nur den Einen und Letztendlichen Gott anzurufen:

 

Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen.

                                                          (Ex 20:4-5 und Dtn 5:8-9).

An verschiedenen Stellen ruft der Koran die Christen an, den Irrtum des Tritheismus oder der Trinität nicht zu glauben (z.B. 4:171 und 5:116). Damals gab es auch unter den Christen noch Streit um diese Fragen.

 

  • Der Tritheismus istGott Vater, Seine Gefährtin Maria und Jesus.
  • Die Trinität setzte sich schliesslich durch, mit Gott Vater, Seinem Sohn Jesus und dem Heiligen Geist.

 

 

Der Koran besteht aus 114 Kapiteln, die Suren genannt werden. 19 von den 114 Suren nehmen Bezug auf Jesus. Gesamthaft sind es über 120 Verse, die Jesus erwähnen. Es ist wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass solche Verse von Muslimen als unmittelbar von Gott kommende Aussagen verstanden werden. Jesus wird im Koran weit öfter bei seinem Namen erwähnt, als andere Propheten inklusive Muhammed, und all diese Verse gehören zum unantastbaren Glaubensbestandteil. Für die meisten Muslime werden zusätzlich zum Koran auch die ca. 6000 vertrauenswürdig überlieferten Prophetenworte (hadith) als Glaubensbestandteile gesehen. Was in diesen Überlieferungen über Jesus gesagt wird, ist ebenfalls verbindlich, wie zum Beispiel die folgende Aussage:

 

Jeder Mensch wird bei seiner Geburt von Satan berührt, ausser Maria und ihrem Sohn.

 

Mohammed (573-632) und viele seiner Gefährten waren eng mit christlichen und jüdischen Gemeinden in Verbindung.  Neutestamentliche Schriften waren bekannt, und wohl darum begnügt sich der Koran mit Kommentaren, Stellungnahmen, Ermahnungen, Korrekturen und Abgrenzungen. Predigten von Jesus aus den Evangelien werden nicht nochmals erwähnt. Da der Islam sich als legitime Fortsetzung der monotheistischen Religionen versteht, werden Kenntnisse des alten und neuen Testamentes der Bibel vorausgesetzt.

 

Zur Zeit Mohammeds wurde das Christentum im Vorderen Orient kontrovers gelebt. Die apokryphen (nicht anerkannten) Evangelien und Schriften waren noch stark verbreitet. In der Frage über die göttliche Natur Christi herrschte Uneinigkeit. Die katholische Kirche in Rom war zwar bemüht, sich gegen abweichende Ansichten durchzusetzen. Doch die Verfolgung und Dezimierung der konkurrierenden christlichen Sekten war zur Zeit Mohammeds auf der arabischen Halbinsel noch nicht vollzogen. Vermutlich begegnete Mohammed einem uneinheitlichen Christentum.

 

Wenden wir uns nun dem Koran zu! Wie wird Jesus im Koran genannt? Es gibt 14 unterschiedliche Benennungen:

 

  • 25 Mal beim Namen: ‚Îsâ = Jesus, davon 16 Mal ‚Îsâ bin Maryam (Jesus, Sohn Marias)
  • 11 Mal:Al-Masîh ‚Îsâ = Der Messias Jesus
  • 8 Mal:Al-Masîh ‚Îsâ ibn Maryam = Der Messias, Sohn Marias
    • Al-Masih (Messias) bedeutet ein rastloser Wanderer (sâha = wandern), sowie der Gesalbte (masaha = salben)
    • Christos (gr.) bedeutet auch der Gesalbte. Könige wurden oft so genannt. Wenn Muslime „Christus“ sagen, meinen sie damit einen Ehrentitel und nicht den von den Toten Auferstandenen.
  • Kalima min Allâh = Wort Gottes
  • Rûh min Allâh = Geist von Gott
    Jesus war besonders nahe mit Gott verbunden, denn nur so konnte Gott durch ihn Wunder vollbringen.
  • Salîh = Rechtschaffener
  • Mubârak = Gesegneter
  • Nabî = Prophet
  • Rasûl = Gesandter (ein Prophet mit Offenbarungsschrift, wie auch Moses und Mohammed)
  • Mathal = Vorbild, Beispielhafter
  • Abd Allâh = Knecht Gottes
    Nur Jesus und Mohammed werden im Koran so genannt (19:30 und 72:19). Es gilt als die intimste Nähe zu Gott.
  • Wadjîh = Im Diesseits und im Jenseits Angesehener
  • Âya = Ein Zeichen für alle, die es sehen können
  • Shahîd = Zeuge der Christen am Endgericht

 

Gerne will ich Ihnen einige typische Geschichten über Jesus vorlesen, wie sie im islamischen Kontext bekannt sind:

 

Jesus kam eines Tages zu einer Gruppe von Leuten, die mit Gottesdienst und frommen Werken beschäftigt waren. Er fragte sie, warum sie sich so sehr mit frommen Werken beschäftigen würden. Sie antworteten: „Wir fürchten das Feuer der Hölle.“ „Dann seid ihr feige Leute“, war Jesu Antwort.
Eine andere Gruppe befolgte die Rituale noch eifriger. Er stellte dieselbe Frage und erhielt als Antwort: „Wir hoffen, in den Himmel zu kommen.“ Er erwiderte: „Warum setzt ihr eure Hoffnung nicht auf Gott selbst? Wer hat euch denn alle diese Gnaden verliehen?“
     (Ansâri a.a.O., Band 2 S. 37, gemäss Nurbaksh S. 104)

 

 

Oder die folgende gut bekannte Geschichte:

 

Jesus war mit seinen Jüngern unterwegs, als sie am Kadaver eines Hundes vorbeikamen. „Buh!“ riefen die Jünger aus, „was für ein Gestank!“ Da hielt Jesus an, um auf das glänzende Weisse der Zähne des Geschöpfes aufmerksam zu machen. Und Jesus schalt seine Jünger und gebot ihnen, nicht schlecht über den armen Hund zu reden und erklärte: „Sagt nichts als Lobenswertes über Gottes Geschöpfe.“
     (Ghazali a.a.O., Band 3 S. 383, gemäss Nurbaksh S. 78)

 

 

Oder auch dies:

 

Der Teufel erschien Jesus und befahl ihm, das Glaubensgebot „La ilaha il-Allah – Es gibt keinen Gott ausser Gott“ zu sagen. Jesus antwortete: „Die Worte sind richtig, aber ich werde sie nicht wiederholen, wenn du es mir befiehlst!“
     (Ghazali a.a.O., Band 3 S. 88, gemäss Nurbaksh S. 75)

 

 

Solche Überlieferungen stammen oft aus der Sufi-Literatur. Sufis sind die Mystiker des Islam und streben ein vertieftes Verständnis der koranischen Botschaft an.

 

Gemäss islamischem Verständnis war Jesus einer der jüdischen Propheten, die – wie schon angedeutet – als Sprachrohr göttlicher Botschaften dienten. Die göttliche Rolle, welche die katholische Kirche in den Anfängen ihres Entstehens Jesus zuschrieb, wird von Muslimen nicht akzeptiert. Auch wenn seine Geburt ein Wunder war und er selbst Wunder tat, ist er ein sterblicher Mensch geblieben, der erst kurz vor dem Jüngsten Gericht wieder eine spezielle Rolle annehmen wird (ich spreche noch davon).

 

Allerdings wird Jesus von einigen Sufis als  „Siegel der allgemeinen Heiligkeit (‚ammah)“ verehrt. Darunter versteht sich das vollkommene Vorbild des Strebens nach der Loslösung vom Weltlichen, um Gottesnähe zu erlangen. Jesus war ein Zeugnis dessen, was Menschen an höchst möglichem Grad erreichen können. Dieses Bild des Siegels ergänzt die Aussage im Koran, dass Mohammed „das Siegel der Propheten“ ist. Dies deuten die meisten Muslime als Abschluss der prophetischen Tradition mit der Konsequenz, dass ab dem Todestag Mohammeds im Juni 632 die von Gott geforderten Verhaltensmuster und Lebensführungen (dîn) für die gesamte Menschheit und für immer festgeschrieben seien.

 

Anmerkung: Mit dieser Deutung konkurrierten die islamischen Theologen mit den Christen, welche fordern, dass mit der Auferstehung Jesu alles anders sei. Aus der Physik wissen wir, dass unser lineares Zeitgefühl eine Illusion ist.  Wer versucht, die göttliche Universalität in ein lineares Zeitgeschehen zu zwängen, raubt aus meiner Sicht der Religion ihre Universalität.

 

Jesus wird im Koran oft als „Sohn Marias“ (ibn Mariam) benannt (3:33-48 und 19:1-34). Darum möchte ich jetzt über Maria (Mariam) sprechen:

 

Der Koran erwähnt die Herkunft Marias, als Nachkommen „des Hauses ‚Imrân„. Und Maria hatte einen Schutzherrn, nämlich den greisen Zacharias (Zakaryya), dessen als unfruchtbar geltende Frau Elisabeth (‚Esha) mit Gottes Fügung Johannes den Täufer (Yahyâ) auf die Welt brachte. Während Zacharia in seiner Zelle betete, riefen ihm die Engel zu:

 

Allah verheisst dir Johannes, den Bestätiger eines Wortes von Allah, einen Herrn, einen Asketen und Propheten von den Rechtschaffenen. (Koran 3:34)

 

Anmerkung:

Imrân deutet auf die Sippe des biblischen Amran hin, dem Vater von Aaron und Moses, doch die Forscher debattieren noch darüber, denn Maria wird anderswo auch „Schwester Aarons“ genannt (19:28).

 

 

Wie wird im Koran die Ankündigung und Empfängnis Marias beschrieben?

 

Der Geist Gottes erscheint ihr als vollkommener Mann, der sich als Gesandter Gottes gibt und ihr „einen reinen Knaben“ ankündigt. Maria fürchtet sich, empfängt jungfräulich und zieht sich dann an einen Ort im Osten zurück. Dort verschleiert sie sich (d.h. sie zieht sich hinter einen Vorhang zurück).

 

Dazu sei folgendes angemerkt:

  • Der als Mann erscheinende „Geist Gottes“ (rûhanâ) wird mit dem Engel Gabriel interpretiert, wie bei den Christen.
  • Jesus wurde in ähnlicher Weise erschaffen wie Adam.
  • Ein „Ort im Osten“ (markân sharkî) bedeutet weder Bethlehem noch eine Krippe. Viele Kommentatoren vermuten damit den Jerusalemer Tempel, wo Maria im Schutze Zacharias als Schwangere ohne Mann zurückgezogen lebte. Nach jüdischem Gesetz drohte ihr die Steinigung.
  • Ein Vorhang (hidjâb), hinter den sich Maria zurückzieht: Das ähnelt scheinbar den Aussagen im Protevangelium des Jakobus, das in der frühen Christenheit in diesen Regionen sehr populär war.
  • Joseph erscheint nirgendwo im Koran.

 

 

Und was geschah bei der Geburt Jesu?

 

Maria erfährt ihre Wehen „an einem entlegenen Ort unter einer Palme“. Sie ist verängstigt und hat Durst und Hunger. Und das Jesuskind beginnt zu sprechen, tröstet sie und erzeugt mit Gottes Hilfe ein Bächlein sowie reife Datteln. Zurück in der Gesellschaft begegnet Maria Argwohn und Anfeindungen, da kein Mann vorhanden ist. Doch das Jesuskind spricht und verteidigt die Situation als Gott-gegeben: „Siehe ich bin Allahs Diener. Gegeben hat Er mir das Buch, und Er machte mich zum Propheten. Und Er machte mich gesegnet, wo immer ich bin, und befahl mir Gebet und Almosen, solange ich lebe, und Liebe zu meiner Mutter; und nicht machte Er mich hoffärtig und unselig. Und Frieden auf den Tag meiner Geburt und den Tag, da ich sterbe, und den Tag, da ich erweckt werde zum Leben.“

 

Dazu folgendes:

  • Es handelt sich um einen anderen Geburtsort als bei den Christen, nämlich in der Wüste unter freiem Himmel.
  • Das so genannte Speisewunder: Ein Bächlein beginnt zu fliessen und reife Datteln fallen von der Palme.
  • Dann das so genannte Sprechwunder: die Evangelien kennen das nicht.
  • Da kein Joseph da ist, erscheint Jesus als Beschützer des Lebens und der Ehre Marias, denn gemäss jüdischem Gesetzt sollte Maria wegen der illegitimen Schwangerschaft gesteinigt werden.
  • Der „Tag, da ich erweckt werde“: darüber hören wir später.

 

 

Wie wird bei Muslimen die Kreuzigung und der Tod Jesu gesehen? Der berühmte so genannte „Kreuzigungsvers“ (4:157) lautet:

 

Und weil sie sprachen: „Siehe, wir haben den Messias Jesus, den Sohn der Maria, den Gesandten Allahs, getötet“ – doch sie töteten ihn nicht und kreuzigten ihn nicht, sondern es erschien ihnen nur so.

 

Über den Keuzigungsvers wird spekuliert, denn scheinbar gibt es kein überliefertes Prophetenwort (hadith), das dazu klare Erläuterungen gibt. Muslimische Gelehrte sind sich uneinig darüber, ob es nur nach einer Kreuzigung schien und Jesus gerettet wurde, oder  ob ein anderer gekreuzigt wurde, der Jesus ähnelte. Und über eine Rettung Jesu wird nirgends berichtet.

 

Am meisten favorisiert wird, dass ein anderer für Jesus sterben musste. Zwei Varianten stehen im Vordergrund:

  • Die Römer kreuzigten einen anderen mit der Behauptung, es sei Jesus gewesen, um Unruhen seitens der Rabbiner zu vermeiden.
  • Gott bestrafte den Verräter Judas Ischariot, indem Er ihn Jesu ähnlich machte. Das apokryphe Barnabas-Evangelium scheint dies zu unterstützen.

 

Anzumerken ist hier, dass Gott gemäss islamischer Vorstellung keinen Menschen unsterblich gemacht hat. (19:33 und 21:34-35).

 

 

Nun gibt es bei Jesus noch die bereits angedeutete weitere herausragende Besonderheit, dessen selbst viele Muslime nicht gewahr sind. Im Koran (3:55) steht:

 

O Jesus, siehe, Ich will dich verscheiden lassen und will dich erhöhen zu Mir und will dich von den Ungläubigen befreien und will deine Nachfolger über die Ungläubigen setzen bis zum Tag der Auferstehung.

 

Wenn Gott hier spricht, „Ich erhöhe dich zu Mir“, bedeutet das im islamischen Sinn, dass Gott ihm auf höchster Stufe eines Propheten und Gesandten Ehre verleihen wird. Und mit „deine Nachfolger“ sind die gläubigen Christen gemeint. Gott sagt hier im Koran ausdrücklich, dass Christen als Gläubige zu sehen sind.

 

Jesus hat in der islamischen Theologie tatsächlich einen ganz besonderen Rang. Ich komme zurück auf das Sprechwunder, wo das Jesuskind sagt: „Und Frieden auf den Tag meiner Geburt und den Tag, da ich sterbe, und den Tag, da ich erweckt werde zum Leben.“

Es gibt Prophetenworte (hadith), die davon sprechen, dass Jesus derzeit im 4. Himmel weilt und eines Tages wieder kommen wird, um gegen den Antichristen (al-daddjâl) zu kämpfen und ihn zu töten. Er wird auf dieser Welt für Ordnung sorgen und Gerechtigkeit bringen. Nach 40 Jahren des Regierens wird er sterben und neben Mohammed in Medina bestattet. Kurz darauf folgt das Jüngste Gericht.

In der Tat wird neben Mohammeds Grab in Medina im heutigen Saudi Arabien ein leeres Grab gehütet, das für Jesus bestimmt ist.

 

Anmerkung: In den vielfältigen Überlieferungen über Mohammeds Himmelfahrt soll er mithilfe des Engels Gabriel bis zum 7. Himmel aufgestiegen sein. Dort sah er das Paradies und die Hölle, und dort „verhandelte“ er mit Gott die Anzahl Gebete, welche die Muslime pro Tag zu erfüllen haben.

 

Ich komme zum Schluss mit einem Blick aufs Jüngste Gericht. Was wird da geschehen?

Gemäss Koran haben dann alle Gesandten und Propheten die Funktion der Fürsprecher und Ankläger für ihre Religionsgemeinschaft (4:159, 7:6, 33:7-8). Jesus handelt dann als Fürsprecher für jene Christen, die das Christentum gemäss den Forderungen von Jesus gelebt haben (5:46 ff und 5:72) und als Ankläger jener Christen, die dem Christ-sein nicht gerecht wurden.

Und Mohammed spielt diese Rolle für die Muslime. Darum vertrauen Muslime auf Mohammed als ihr Fürsprecher und Retter am Tage des Gerichts, und das kommt in den muslimischen Gebetsformeln stark zum Ausdruck. In den Gebeten, die alle direkt an Gott gerichtet sind, werden immer wieder Segenswünsche an den Propheten hineingeschoben.

 

Einige Erkenntnisse nochmals zusammengefasst:

 

  • Der Koran enthält viele Bezüge zum Christentum, denn er versteht sich als Weiterführung der jüdisch-christlichen Tradition und Prophetenfolge. Die Muslime sehen den Islam nicht als Alternative zum Christentum und Judentum, sondern als deren rechtmässige Weiterführung.
  • Jesus wird von den Muslimen stark verehrt.
  • Jesus ist der einzige Mensch, der wie Adam erschaffen wurde, indem Gott Seinen Hauch in den materiellen Körper einblies.
  • Jesus wird unter vielen Eigenschaften auch als Messias, als Wort Gottes und als Geist Gottes benannt.
  • Insbesondere unter Sufis gibt es viele Legenden und Erzählungen über Jesus.
  • Jesus wird im Koran bedeutend öfters beim Namen benannt als Mohammed.
  • Maria wird im Koran öfter genannt als in der Bibel.
  • Die jungfräuliche Empfängnis von Maria wird bejaht, hingegen verneinen die Muslime die Kreuzigung Jesu und dessen Erhebung zur Rechten Gottes. Jesus ist und bleibt ein Gesandter Gottes, der nicht angebetet werden darf.
  • Gott hat durch Jesus viele Wunder getan. Ein Muslim wird aber nie sagen: „Jesus tat Wunder“, ohne anzuhängen „mit Gottes Erlaubnis“. Speziell erwähnt werden:
    • Das Sprechwunder als Kleinkind. (19:24-26)
    • Das Vogelwunder, wo er Vögeln aus Lehm Leben einhauchte. (3:49 und 5:110)
    • Das Tischwunder, wo er Gott um einen voll bedeckten Tisch bat, um seinen Jüngern den Zweifel wegzunehmen. (5:112-115)
    • Die Heilung von Aussätzigen und Blinden, sowie die Erweckung von Toten.
  • Jesus verweilt im Paradies bis kurz vor dem jüngsten Tag, wenn er noch seine letzte Aufgabe auf Erden in Angriff nimmt.
  • Auch wenn Gott Jesus zu sich genommen hat, wo er im 4. Himmel oder im Paradies auf seine letzte Mission wartet, ist er nicht von einer Gott-Natur. So wie die Engel ist auch er unter Gott gestellt. (3:45 und 4:172). Er sitzt nicht „zur Rechten Gottes“, wie es die Christen glauben (Römer 8:33 f, Epheser 1:20, Hebräer 1:1 ff).

 

 

 

 

 

Meine Ausführungen stammen aus unterschiedlichen Quellen der Theologie und der Forschung. (Speziell würdigen möchte ich das empfehlenswerte Buch von Martin Bauschke: „Der Sohn Marias“, Verlag Lambert Schneider.)

 

Die Urheberrechte der mit freundlicher Genehmigung verwendeten Zitate aus dem Mesnevi sind bei  der Übersetzergemeinschaft Bernhard Meyer, Kaveh und Jilla Dalir Azar.  Die Bücher, welche die Zitate enthalten, sind auf dem Markt erhältlich (Rumi „Das Matnavi“, Edition Shershir, Dr. Peter Finckh).