Der Weg des Derwisch

Der Weg des Derwisch (Dez 2001)

Der Weg des Derwisch – Ein Beitrag unseres Bruders und Scheichs Süleyman Bahn aus Nürnberg, Dezember 2001

Die Islamische Religion regelt, wie alle bekannten Religionen, die menschliche Existenz in exoterischer, also weltlicher Richtung und in esoterischer, also innerer oder geistiger Richtung. Diese geistige Richtung des Islam wird im Allgemeinen als Sufismus bezeichnet. Sie ist der mystische Teil des Islam. Der Inhalt des mystischen Teiles lässt sich in wenigen Worten natürlich nicht beschreiben. Der Suchende wird hier auf die vielen Sachbücher zum Thema Sufismus verwiesen. Es lässt sich aber für alle Sufiwege sagen, dass der Mittelpunkt der verschieden Lehren das Einheitsbekenntnis, das Tawhid (gesprochen Tauwid) ist.

Dieses durch Hz. Mohammed (der Friede und das Wohlgefallen Gottes seien mit Ihm) offenbarte Kernstück des Islam heißt

LA ILLAHE – IL ALLAH

Wörtlich übersetzt heißt das

Da ist kein Gott – da ist Gott

Im Allgemeinen wird es übersetzt mit

Es gibt keinen Gott, außer (dem einen) Gott

LA

Diese so einfach wirkende Wort ist für den Sufi die Herausforderung zur Erkenntnis Gottes. Die Erkenntnis des Tawhid, das heisst der Einheit, ist der zentrale Inhalt der Suche. Denn der erste Satz des Einheitsbekenntnisses heißt „LA IL LA HE – da gibt es keinen Gott“. Dort wo kein Gott ist, ist aber auch keine Schöpfung, und wo keine Schöpfung und kein Gott ist, ist Nichts. Dieses Nichts wird durch die Silbe „LA“ ausgedrückt.

Dieses „LA“ ist das große Nein, die große Verneinung. Folglich ist dort wo Gott ist, auch die Schöpfung, und da beide voneinander nicht trennbar sind, ist die Schöpfung der offenbarte Teil Gottes. In der Folge muss geschlossen werden, dass die gesamte Schöpfung aus Gott hervorgegangen ist. Dies wird durch den zweiten Teil des Einheitsbekenntnisses gesagt: „IL ALLAH“. Alles, was existiert, ist Gott. Nichts existiert, was nicht Gott ist. Der Hl. Quran sagt dazu: „Ihr kommt von Gott, und zu Ihm werdet Ihr schließlich zurückgebracht.“

Der Weg des Sufi besteht darin, diese ja zunächst sehr theoretische Erkenntnis in der Realität zu sehen, zu erleben und im Leben zu verwirklichen. Die Verwirklichung dieser Erkenntnis verlangt aber die Welt, als Teil der Schöpfung und diese wiederum als Teil Gottes, zu akzeptieren. Und diese Verwirklichung verlangt es vom Einzelnen, im Leben zu stehen, so wie jeder andere Mensch zu leben und sich nicht zurückzuziehen in Klöster oder Zellen. Diese Menschen, die dies versuchen, nennt man Derwische. Das Wort „Derwisch“ leitet sich aus dem Persischen ab und bedeutet soviel wie „Türschwelle“. Die Türschwelle ist ein Symbol für den Weg des Sufi. Sie verbindet das Innere des Hauses mit der Straße, die Innenwelt mit der Außenwelt. Sie ist genau in der Mitte. Hier wird der klare Hinweis sichtbar, sich in der Mitte des Lebens aufzuhalten, sich nicht im Inneren zu verstecken, aber auch nicht in der Äußeren Welt zu ertrinken.

Um dieses, oben beschriebene Bewusstsein zu erlangen, ist es nötig, sich von allem zu trennen, was nicht dem echten Sein entspricht. Es ist eine Reinigung nötig von allem, das dem künstlichen Selbst eines Menschen entsprungen ist. Dieses künstliche Selbst ist durch Erziehung, Konditionierung und Egoismen entstanden. Dieses Selbst ist aber nicht eines, sondern es sind viele, wie der aufrichtige Suchende bald feststellen wird.

Wir nennen solche Selbst: „Egos“

Diese Egos müssen aufgelöst werden, um die Einheitserkenntnis dauerhaft zu erreichen. Verschiedene große Sufimeister, die sogenannten Pirs, haben dazu verschiedene Wege eröffnet. Diese Wege nennen wir die Tarikats. Die Tarikat der Mevlevi sei im folgenden erläutert.

„Komm, komm wieder, komm……

seiest Du auch ein Ungläubiger, oder Götzenverehrer

ein Feueranbeter, oder Christ.

Hinter unserer Pforte wohnt nicht die Hoffnungslosigkeit;

und hast Du hundert Mal geschworen

und Deine Eide gebrochen,

komm, komm wieder, komm……….“

Diese Worte stehen seit nunmehr über 700 Jahren als Fries an der Wandoberkante unseres Mutterhauses in Konya. Diese Worte sagen viel über das Wesen des Mevlevi-Weges aus. Sie weisen unter anderem auf die große Toleranz und das noch größere Gottvertrauen dieses Weges hin.

Der Weg der Mevlevi ist ein sehr langsamer. Es werden niemandem Erleuchtung oder besondere übernatürliche Wunder versprochen. Es ist ein sehr einfacher Weg, der von jedem Menschen gegangen werden kann, denn er setzt genau dort an, wo der Mensch sich gerade befindet.

Bis zum Jahre 1925 gab es in der Türkei die sogenannten Derghas, wo die Aspiranten zu Derwischen ausgebildet wurden. Kemal Atatürk hat diese verboten und die Ausbildungen und Treffen finden seitdem im privaten Kreis statt. In anderen Ländern des Orients gab es diese Derghas etwas länger, wurden aber meist auch dort verboten oder sie lösten sich auf, weil der Kontakt zum Zentrum in der Türkei zu lange Zeit unterbrochen war.

Cille

Die Ausbildung zum Mevlevi-Derwisch nennt man „Cille“ (Tschille). Um in die Cille aufgenommen zu werden, brauchte es, solange die Dergahs noch funktionierten, verschiedener Vorbereitungen.

Man musste sich beim zuständigen Kloster einfinden und beim Scheich die Aufnahme beantragen, der sich mit dem Aspiranten unterhielt und seine Eignung einer Vorprüfung unterzog. Von Seiten der Dergah wurden dann Erkundigungen über diese Person eingeholt. Sind diese dann positiv ausgefallen, wurde der Aspirant gebeten sich in der Dergah einzufinden, wo er dann in einem besonderen Ritual die Derwischmütze aufgesetzt bekam. Dieses Ritual, das auch heute noch so praktiziert wird, nennt man „Sikke tekbiri“, das Gebet für die Derwischmütze.

Es ist die erste Initiation auf dem Wege. Durch sie wurde der Aspirant zum Mevlevi- Freund befördert. Der Freund erhielt mit dieser Initiation auch verschieden Übungen, Gebete und Pflichten, die ihm der Scheich in das Ohr flüsterte. Er verließ dann die Dergah aber wieder, um sich seinen Aufgaben im Leben zu widmen. Er lebte in der äußeren Welt, wie jeder andere Mensch auch. Er konnte heiraten, einen Beruf ergreifen usw.

Zu bestimmten Zeiten meist jeden Donnerstag-Abend fand er sich in der Dergah ein, um im Kreise von Derwischen und anderen Freunden Mevlanas den Abend bei Sohbet (Lehrgespräch), Salat (Gebet), Dhikr (Gottesgedenken), Sema (Derwischtanz) und Musik zu verbringen. Dieser Teil wird auch heute noch so praktiziert und wir werden ihn später noch ausführlicher besprechen.

Sollte sich der Mevlevi- Freund nach einiger Zeit der Praxis entschlossen haben, ein richtiger Mevlevi-Dede werden zu wollen, teilte er dies dem Scheich mit. Der Begriff Dede heißt übersetzt „Großväterchen“. Der Scheich nahm diesen Entschluß nicht sofort begeistert auf, sondern er verlangte dann meist von ihm, sich die Sache nochmals gründlich zu überlegen. Dies sollte in einer Zeit der Askese und des Fastens in völliger Zurückgezogenheit von der Welt geschehen. Auch benötigte er die Erlaubnis seiner Erziehungsberechtigten oder seiner Familienangehörigen.

Die Ausbildung

Die Ausbildung begann, indem sich der Neuling in der Dergah einfand, wo er in der Küche drei Tage auf einem bestimmten, ihm zugewiesenen Platz, auf einem Fell kniend, verharrte. Er beobachtete dabei die Arbeiten und Dienste in der Küche. Er durfte seinen Platz nicht verlassen. Musste er zur Toilette, hatte er um Erlaubnis zu fragen. Er aß, was man ihm gab und blieb ansonsten immer auf dem ihm zugewiesenen Platz sitzen.

Auch die Nacht verbrachte er dort in einem Bettzeug, das man ihm brachte. Er wurde dabei genau vom Kasanci-Dede (Kessel-Väterchen), dem Küchenmeister beobachtet. Gegen Ende der drei Tage wurde er noch einmal darauf hingewiesen, dass er jetzt noch ohne weiteres gehen könne. Hatte er sich aber entschlossen zu bleiben und wurde er angenommen, so begann jetzt die 18 tägige Probezeit zur 1001-tägigen Dienstzeit in der Cille.

In der Küche der Mevlevi wird nicht nur das Essen zubereitet, sondern auch der Mensch. Er wird geknetet wie ein Teig, er wird geformt wie ein Brot, er wird reif gemacht und gekocht wie rohes Gemüse, das im Topf gekocht wird.

Die ersten 18 Tage begann er als Laufbursche zu dienen. Er hatte alle Aufgaben zu erfüllen, die man ihm auftrug. Er bekam allerlei niedere Arbeiten aufgetragen, wie z.B. das Reinigen der Toiletten und hatte diese immer mit den Worten „Sehr gerne“ zu erfüllen. In dieser Zeit konnte es sein, dass erkannt wurde, dass er zum Derwisch nicht taugt. So wurden ihm des Nachts seine Schuhe, mit den Spitzen zum Ausgang zeigend, zur Türe gestellt. Er hatte in diesem Falle beim Morgengrauen die Dergah zu verlassen. Hat er aber die 18-tägige Probezeit bestanden, wurde ihm vom Oberkoch eine bestimmte Mütze, die „Arakiye“ und sein Derwisch-Rock, über die vorher noch Gebete gesprochen werden, überreicht. Er entledigte sich nun seiner Privatkleider und trug von nun an die Derwischkleidung. Diese Zeremonie trägt den Namen „Sich entkleiden“. Der Novize hatte nun den Titel „Nev-niyaz“ (Der zum Derwisch erwählte).

Er musste nun unter Aufsicht des Küchenleiters verschiedene asketische Übungen durchführen und er lernte zu dienen. Er lernte auch in der Küche den Dewischtanz (Sema). Auf einem bestimmten Platz in der Küche war ein Holznagel im Boden eingelassen, dessen Kopf etwas herausschaute. Auf diesem Nagelkopf lernte der Aspirant das Drehen. Zwischen den zwei ersten Zehen wurde der Nagelkopf platziert und als Mittelpunkt für die Drehbewegung verwendet. Vor und während der Übung wurde Salz auf den Nagel und die Zehen gestreut. Er lernte, sich um eine imaginäre Achse zu drehen, in völliger körperlicher Losgelöstheit und totaler Hingabe an Gott. Er lernte sich um sein eigenes Herz zu drehen, denn „… Gott ist dem Menschen näher als seine eigene Halsschlagader.“ (Quran, Sura 50/16)

Er hatte lange Zeit in der Küche zu dienen und zu lernen. Aber auch in den anderen Bereichen der Dergah lernte er zu dienen. Ingesamt 18 verschiedene Dienste hatte er bei den entsprechend dafür verantwortlichen Dedes zu absolvieren. Der letzte war die Reinigung der Dergah und der Toiletten. Damit wurde dem Aspiranten noch einmal vor Augen geführt, dass das Leben des Derwisch ein Leben der Reinigung ist und dass niemals ausgelernt ist, denn die Toilette reinigen musste er schon in den ersten 18 Tagen seiner Ausbildung. Auch lernte er etliches an Theorie in dieser Zeit der Ausbildung. Er lernte Arabisch, um den Hl. Koran lesen zu können. Er lernte Persisch, um das Mesnevi, das große Lehrbuch von Hz. Mevlana, zu studieren. Er lernte vielleicht ein oder mehrere Musikinstrumente, oder er wurde je nach Talent zum Sänger ausgebildet, oder er lernte vielleicht die Kunst der Kalligraphie und des Buchbindens etc.

Am Ende seiner Lehrzeit kam eines Morgens der Zeremonienmeister zu ihm und sang das „Destur“ (geh zur Seite). Der Novize erhielt nun eine eigene Zelle und man überreichte ihm seine neuen Dewischkleider, die er anzog, nachdem er vorher noch im Badehaus war. Des Abends nahm er auf demselben Fell Platz, auf dem er, beim Eintritt in den Orden schon einmal drei Tage saß. Der 18-armige Leuchter wurde entzündet. In einer neuen Zeremonie mit Gebet und Gesang wurde ihm jetzt durch den Kasanci-Dede seine „Sikke“(Derwischmütze) aufgesetzt.

Der Neue Derwisch wurde nun zu seiner Zelle geführt und er verließ diese nun drei Tage nicht, er meditierte und betete. Er wurde von den anderen Derwischen besucht, die ihm kleine Geschenke brachten. Hatte ein Besucher nichts zu schenken, brachte er ihm mindestens drei Blätter eines Baumes mit. Diese klemmte er unter den Teppichrand. Nach Ablauf dieser drei Tage wurde er zum Scheich geführt, der ihm nun in Form eines Rituals die „Hirka“, also den Derwischmantel umlegte.

Nun folgte abermals eine neue Probezeit von 18 Tagen. Sie heißt: „Die Askese in der Zelle“. War diese nun auch erfolgreich abgelegt, bekam der Derwisch, durch den Scheich, bei einem neuerlichen Gebetsritual die „Sikke“ (Mütze) aufgesetzt. Dies war die eigentliche und letzte Initiation. Der Derwisch durfte sich nun „Mevlevi-Dede“ nennen. Von nun an stand es ihm frei, in der Dergah zu bleiben, wo er dann seine Ausbildung als Musiker, Tänzer etc. weiter vertiefte, wie auch seine Kenntnisse in persischer und arabischer Literatur. Kurzum er erweiterte seine Bildung bis zur Meisterreife und Lehrbefähigung. Ging er aber nach seinen 1001 Tagen in der Cille zurück in die Welt, konnte er einen Beruf ergreifen, heiraten und eine Familie gründen. Der letzte Tag in der Cille, der 1001. Tag war zugleich der 1.Tag der neuen Cille, der eigentlichen Cille, die das Leben ist.

Der Derwisch, der diese Cille aus familiären oder sonstigen Gründen nicht machen konnte, war nun auch in früheren Zeiten sicher nicht vom Weg abgeschnitten. Auch wenn er nicht durch einen solchen Intensivkursus, wie die Cille gegangen war. Seine Ausbildung zum Derwisch dauerte eben etliche Jahre länger. Sein Lehrer, der nicht unbedingt ein Scheich war, sondern ihm durch den Scheich zugeteilt wurde, betreute ihn durch längere Zeit. Er lernte durch seine Anleitung viele Jahre, manchmal bis zum Tode des Lehrers, und es ergaben sich daraus oft wunderbare Freundschaften.

Auch er lernte die nötigen Regeln des Adhab (gute Umgangsformen), auch er lernte zu dienen. Er machte dieselben Übungen, wie sie in der geschlossenen Dergah gemacht wurden. Er fastete z.B. oft auch außerhalb der Ramadanzeit und zog sich auf Anweisung seines Lehrers in einem besonders dafür vorgesehenen Raum, der oft innerhalb einer Mosche dafür gebaut wurde, zu einem sogenannten Halvet zurück. Er blieb in solch einem Raum über mehrere Tage, abends wurde ihm eine Kleinigkeit zu Essen und Trinken gebracht. Eine Suppe, ein paar Datteln und ein Krug Wasser. Dort blieb er meist 18 Tage, manchmal auch 40 Tage ganz allein, nur mit sich selbst und seinem Schöpfer. Auch er lernte Musikinstrumente oder die Kunst der Kalligraphie. Er lernte genau so wie der Derwisch in der Cille, wenn auch über entsprechend längeren Zeitabläufen.

Genau diese Methode wird heute wieder angewandt. Die Mitglieder unserer Gruppen treffen sich nach Möglichkeit regelmäßig in ihrer Dergah und praktizieren gemeinsam traditionelle Übungen. Da der Derwisch-Weg ein Weg im Leben ist, ist dies auch möglich. Die Ausbildung findet langsamer und über längere Zeitabläufe statt. Die Teilnahme an solchen Gruppentreffen sowie Einzelsitzungen mit dem Scheich sind aber auch weiterhin Voraussetzungen für das Beschreiten des Weges.

„Jeder Gläubige ist dem Anderen ein Spiegel“, wie eine alte Sufi-Regel sagt. In diesem Spiegel lernt man zunächst sich selbst zu erkennen. Wenn diese Selbsterkenntnis eingetreten ist, lernt man Methoden, sich seinem wahren Wesen zu nähern und schließlich dieses Wesen, das man selbst ist, zu leben und Gott und seiner Schöpfung zu dienen, um jenen Stellenwert innerhalb der Schöpfungskette einzunehmen, zu dem der Mensch geschaffen wurde.

„Komm, komm wieder, komm … seiest Du auch ein Ungläubiger …“ – Um in die Tarikat aufgenommen zu werden ist es nicht unbedingt nötig, den Islam als persönliche Religion anzunehmen, wie das bei den meisten anderen Tarikats Voraussetzung ist, aber es ist nötig, sich in die Inhalte der islamischen Religion einzuarbeiten. Denn unser Weg steht natürlich auf den Fundamenten der islamischen Religion, wie alle anderen Sufi-Tarikats auch. Unser geliebter Pir Hz.Mevlana sagte zu diesem Thema: „Ich bin Diener des Quran und ein Staubkorn auf dem Pfade Muhammads, des geehrten. Sagt einer etwas anderes über mich, bin ich darüber sehr traurig“.

Es werden eine Reihe von Übungen gemacht und eine Reihe von grundsätzlichen Änderungen in der Haltung zum Leben gelernt. Es werden bestimmte neue Umgangsformen eingeübt. Diese nennt man das Adhab. Das Adhab ist ein sehr wichtiger Bestandteil zur Erreichung unseres Zieles. Durch das Adhab lernt man, sich den Dingen des Lebens mit großem Respekt zu nähern. Dies betrifft die gesamte Schöpfung. Umweltschutz ist keine Erfindung der Neuzeit hier im Westen, sondern der Derwisch lernte dies schon vor vielen hundert Jahren. Man sollte seinen Nächsten als Spiegelbild Gottes erkennen und sich ihm gegenüber auch so verhalten. Man soll sich der ganzen Schöpfung gegenüber so verhalten, denn die Schöpfung ist aus Gott hervorgegangen. Liebe und Mitgefühl mit jeder Kreatur vom Stein über die Pflanze bis zum Menschen gehören zu den Attributen des Derwischseins.

Es wird das Sema und Dhikr geübt, teils zusammen in der Gemeinschaft, teils wird es täglich zu Hause praktiziert. Das oberste Ziel ist es, leer zu werden von allem, was nicht Gott entspricht. Leer zu werden wie die Ney, die Rohrflöte. Die Ney ist das Symbol des Derwisch. Sie besteht aus einem Bambusrohr, das mit einem glühenden Eisen durchbohrt wird. Sie ist völlig hohl und leer. Die Schwingung erzeugt ausschließlich der Atem des Musikers. Sie hat einen sehr sehnsüchtigen, klagenden Klang, der den Menschen an seine Urheimat im Schoße Gottes erinnert.

Hz.Mevlana hat ihr die ersten Zeilen seines berühmten Mesnevi gewidmet. Die ersten 18 Doppelverse werden daher das Rohrflötenlied genannt. Sie stehen wegen ihres geheimnisvollen Ursprungs in besonderem Ansehen. Erst wenn der Mensch leer wird, wie das Rohr der Flöte, kann der Atem Gottes durch ihn hindurch strömen und seine Seele zum Schwingen bringen. Jedes Glied, jede Pore des Menschen ruft dann HU (Gott, wörtl. Er).

Erst wenn der Mensch leer von allem ist, was nicht seinem Sein entspricht, wird seine Seele zu singen beginnen und in den Lobpreis Gottes einstimmen. Aber dieser Lobpreis ist dann kein bloßes Lippenbekenntnis mehr, sondern ein Lobpreis des ganzen Wesens eines Menschen, dessen Handlungen zum Lobpreis werden, dessen Liebesfeuer ihn so brennend und so trunken macht, dass er ganz und gar zum Zeugnis Gottes wird. Der Atem Gottes bläst durch Ihn wie der Atem des Musikers die Ney. Dass dies aber kein angelesenes Wissen bleibt, ist es nötig, den Weg selbst zu gehen, um das Ziel des Brennens in der Liebe auch zu erreichen.

Die wichtigsten Werkzeuge zur Erreichung dieses Zieles

  • Das Gebet
  • Das Fasten ( hier ist nicht nur ein Fasten von Speise z.B. im Ramadan gemeint )
  • Das Almosengeben
  • Die Pilgerfahrt zum Heiligen Haus (Für Moslems ist die Reise nach Mekka eine Pflicht, die einmal im Leben gemacht werden sollte, wenn die finanziellen Möglichkeiten es zulassen. Für den Derwisch ist hier die Pilgerfahrt zum eigenen Herz gemeint.)

Diese ersten fünf Werkzeuge sind die sogenannten Säulen der Islamischen Religion. Sie werden durch fünf weitere ergänzt:

  • Das Dhikr ( Litaneiartige Gebetsübungen, wörtl. Gottesgedenken)
  • Das Fikr ( Meditation, Selbsterinnerung, geistige Betrachtung)
  • Das Sema ( Derwischtanz, wörtl. Hören ) und die Musik( Sufimusik)
  • Das Adhab (Benehmen und Umgangsformen)
  • Das Dienen

All diese Werkzeuge werden in unseren Gruppen kennengelernt und langsam erarbeitet. Ab und zu mit unseren Freunden aus den anderen Ländern, ab und zu besuchen uns Scheichs aus der Türkey und manchmal machen wir auch zusammen eine Reise zu Hz. Pir nach Konya, oder zu einem anderen wichtigen Platz.

Wir freuen uns über jede(n), die (der) uns kennen lernen möchte.