Mevlana über Herz, Spiegel und Liebe

Verse des Mesnevi über die Themen „HERZ“, „Spiegel“ und „LIEBE“
(zusammengestellt von Peter Hüseyin Cunz im Januar 2004 aus der Übersetzung von Kaveh Dalir Azar)

 HERZ

1: 3560-3581

Die vier Flüsse des Paradieses stehen unter unserer Herrschaft; und das ist nicht unsere Macht, das ist Gottes Befehl:

Wir lassen sie fliessen, wohin wir wollen, so wie der Zauber sich nach dem Wunsch des Zauberers richtet.

Genauso stehen diese beiden Augenquellen unter der Herrschaft des Herzens und sind dem Befehl der Seele unterworfen.

Wenn das Herz will, wenden sie sich dem Gift und der Schlange zu, und wenn es will, wenden sie sich Süssigkeiten zu,

Wenn es will, wenden sie sich dem zu was einen berührt, und wenn es will dem, was man berühren kann.

Wenn es will, richten sie sich auf Universelles, und wenn es will, bleiben sie auf Besonderes gerichtet.

Ähnlich bewegen sich alle fünf Sinne wie die Webspule nach dem Willen und Befehl des Herzens.

Alle fünf Sinne bewegen sich in die Richtung, die ihnen das Herz anzeigt.

Hand und Fuss stehen offensichtlich unter dem Kommando des Herzens, wie der Stab in Moses’ Hand.

Wenn das Herz will, fängt der Fuss plötzlich an zu tanzen, oder flieht vom Mangel zum Überfluss.

Wenn das Herz will, verständigt sich die Hand mit den Fingern, ein Buch zu schreiben.

Die Hand bleibt in einer verborgenen Hand; diese benutzt im Innern den äusseren Körper.

Wenn diese Hand will, wird die körperliche Hand zu einer Schlange für den Feind; und wenn sie will, wird sie zu einem Helfer für einen Freund;

Und wenn sie will, ein Löffel zum Essen; und wenn sie will, eine zehn man * schwer Keule.

Ich frage mich, was das Herz zu ihnen sagt. Es ist eine wundervolle Beziehung, eine wundervolle, verborgene Verbindung.

Sicher besitzt das Herz das Siegel Salomos, sodass es die Zügel der fünf Sinne hält.

Die fünf äusseren Sinne sind leicht von ihm zu handhaben, die fünf inneren Sinne stehen unter seinem Befehl.

Es gibt zehn Sinne und sieben Glieder und so weiter; zähle selbst, was nicht erwähnt wird.

O Herz, da du mächtig wie Salomo bist, lege deinen Siegelring auf Fee und Dämon.

Wenn du in diesem Königreich frei von Täuschung bist, werden dir die drei Dämonen das Siegel nicht aus der Hand nehmen.

Danach wird dein Name die Welt erobern; du wirst die zwei Welten wie den Körper beherrschen.

Und wenn dir der Dämon das Siegel aus der Hand nimmt, ist dein Königreich dahin, dein Glück vernichtet.

 

*) Gewichtseinheit (engl. maund)

 

 

4: 1777-1788

Das Herz ist wie ein grosses Haus; im Hause des Herzens wohnen verborgene Nachbarn.

Durch Fensterschlitze in den Wänden beobachten sie die verborgenen Gedanken;

Durch Fensterschlitze, von denen sich der Hausbesitzer keinen Begriff macht und an denen er nicht teilhat.

Rezitiere aus dem Koran, dass der Teufel und sein Stamm insgeheim den Geruch des Zustandes der Menschheit wahrnehmen.

Und zwar auf einem Weg, den die Menschheit nicht kennt, weil er nicht zur wahrnehmbaren Welt gehört oder ihr ähnelt.

Hecke keine List gegen die Prüfer aus; gib vor dem Prüfstein nicht eitel an, o niedrige, unechte Münze.

Der Prüfstein kann die echte von der falschen Münze unterscheiden, denn Gott hat ihn zum Befehlshaber über Körper und Herz gemacht.

Wenn sogar die Teufel trotz ihrer Unreinheit mit unserer innersten Seele, unseren Gedanken und unserem Glauben vertraut sind,

Und in unserem Inneren einen verstohlenen Durchgangsweg haben, sodass wir von ihren diebischen Praktiken bezwungen werden;

Wenn sie uns ununterbrochen Schaden zufügen und uns in Unordnung bringen können, weil sie Meister des inneren Durchgangs und Fensterschlitzes sind:

Warum sollten dann die erleuchteten Geister auf der Welt unseren verborgenen Zustand nicht wahrnehmen?

Haben die Geister, die ihre Zelte auf dem Himmel aufgeschlagen haben, etwas weniger Macht als die Teufel?

 

 

3: 2243-2265

O Herz, Gott wird dich in dem Moment betrachten, in dem du wie ein Teil zum Ganzen gehst.

Gott sagte: „Unser Blick liegt auf dem Herzen, nicht auf der äussere Form, die nur Wasser und Erde ist.“

Du sagst: „Auch ich habe ein Herz“; doch das Herz ist über dem Thron, nicht darunter.

Gewiss ist auch in der dunklen Erde Wasser, doch es steht dir nicht zu, deine Hände mit diesem Wasser zu waschen,

Denn obwohl es Wasser ist, ist es der Erde unterlegen. Sage also nicht über dein Herz: „Auch das ist ein Herz“.

Das Herz, das höher als die Himmel ist, ist das Herz des Gottesfreundes oder Propheten.

Es ist von Erde gesäubert und gereinigt; es ist ausgewachsen und vollkommen.

Es hat die Erde verlassen und ist zum Meer gekommen; es ist dem Gefängnis der Erde entkommen und zum Meer geworden.

Unser Wasser bleibt in der Erde gefangen. Höre, o Meer der Barmherzigkeit, ziehe uns aus dem Lehm!

Das Meer sagt: „Ich ziehe dich in mich, doch du gibst vergebens vor, Süsswasser zu sein.

Dein vergeblicher Anspruch hält dich vom Glück ab; gib diese Einbildung auf und tritt in mich ein.“

Das Wasser in der Erde möchte in das Meer gehen, die Erde packt das Wasser am Fuss und zieht es zurück.

Wenn es seinen Fuss von der Hand der Erde befreien kann, wird die Erde trocken und das Wasser wird vollständig frei.

Was ist dieses Zurückhalten des Wassers durch die Erde? Es ist dein Hang zu Süssigkeiten und unvermischtem Wein.

Ebenso jede Begierde auf der Welt, ob sie Reichtümern oder macht oder Brot gilt;

Jedes dieser Ding erzeugt einen Rausch in dir, und wenn du es nicht bekommst, bereitet es dir Kopfschmerzen.

Dieser Kopfschmerzen des Kummers ist der Beweis dafür, dass dein Rausch von dem vermissten Gegenstand kommt.

Benutze diese Dinge nur, soweit es notwendig ist, sonst nehmen sie überhand und werden deine Gebieter.

Verächtlich hast du Hilfe abgelehnt und gesagt: „Ich besitze ein Herz; ich brauche niemand anderen, ich bin mit Gott vereint.“

Das ist, als ob das Wasser in der Erde verächtlich ablehnen und sagen würde: „Ich bin das Wasser, warum sollte ich Hilfe suchen?“

Du hast dir dieses verunreinigte Herz als Herz vorgestellt und folglich hast du dein Herz von den Herzbesitzern abgewendet.

Glaubst du wirklich, dass das Herz, das in Milch und Honig verliebt ist, jenes reine Herz ist?

Die Köstlichkeit von Milch und Honig ist ein Abbild des Herzens; von diesem Herz ist die Süsse jedes süssen Dinges abgeleitet.

 

 

4: 1358-1372

Im Obstgarten legte ein Sufi auf die Art der Sufis das Gesicht auf die Knie, um sein Herz zu öffnen,

Und versank tief in sich. Ein aufdringlicher Kerl fühlte sich gestört, weil der Sufi aussah, als schliefe er.

„Warum“, sagte er, „schläfst du? Schau lieber auf den Wein, betrachte die Bäume und Zeichen und grünen Pflanzen.

Hör den Befehl Gottes, denn Er hat gesagt: „Schau!“ (Koran XXX:50); richte deinen Blick auf diese Zeichen der Barmherzigkeit“.

Der Sufi antwortete: „O du Sinnlicher, die Zeichen sind im Herzen; aussen sind nur die Zeichen der Zeichen.“

Die wahren Gärten und Wiesen liegen im Inneren der Seele; deren Widerspiegelungen im Äusseren sind wie Spiegelungen in fliessendem Wasser.

Im Wasser ist nur das Abbild des Gartens, das wegen der feinen Eigenschaft des Wassers zittert.

Die wahren Gärten und Früchte liegen im Herzen; der Widerschein ihrer Schönheit fällt auf Wasser und Erde.

Wäre die weltliche Zypresse nicht das Abbild der inneren Zypresse, hätte Gott die Welt nicht Welt der Täuschung genannt.

Die Täuschung besteht darin: Die Welt der Bilder existiert durch den Widerschein des Herzens und des Geistes der Menschen.

Alle Getäuschten betrachten das Abbild und denken, dass es der Ort des Paradieses ist.

Sie fliehen vor dem Ursprung der Gärten; sie erfreuen sich an einer Illusion.

Wenn ihr Schlaf der Unachtsamkeit zu Ende ist, sehen sie wirklich, doch was nutzt ihnen dann diese Sicht?

Dann entsteht auf dem Friedhof grosses Wehklagen; wegen ihres Fehlers schreien sie bis zur Auferstehung „Wehe¨“

„Oh, glücklich ist, wer vor dem Tod gestorben ist“, denn er hat einen Hauch vom Ursprung dieses Weinbergs erhascht.

 

 

3: 2089-2097

Der Blinde kann sich nicht vor dem Schmutz schützen: Das Auge ist die Quelle der Enthaltung und Vorsicht.

Der Blinde sieht den Schmutz im Vorbeigehen nicht. Möge kein wahrer Gläubiger blinde Augen haben!

Der äusserlich Blinde ist äusserlich schmutzig; der innerlich Blinde ist innerlich schmutzig.

Der äusserliche Schmutz kann mit etwas Wasser entfernt werden; der innerliche Schmutzt wächst.

Nur das Wasser der Augen kann den inneren Schmutz wegwaschen, wenn er offenbar geworden ist.

Da Gott den Ungläubigen „Schmutz“ genannt hat, liegt dieser Schmutzt nicht auf seinem Äusseren.

Das Äussere des Ungläubigen wird dadurch nicht besudelt; dieser Schmutz liegt in seiner Veranlagung und seiner Religion.

Der Geruch des äusseren Schmutzes reicht zwanzig Schritte weit; doch der Geruch des inneren Schmutzes reicht von Ray * bis Damaskus;

Nein, sein Geruch steigt bis in die Himmel hinauf und bis zu den Gehirnen der Huris ** und Ridwans ***.

 

*) Stadt im heutigen Irak

**) Jungfräuliche Gestalten im Paradies

***) Der Hüter des Paradieses.

 

 

3: 1222-1225

Oh, manch einer hat wache Augen und ein schlafendes Herz; doch was können die Augen der Geschöpfe aus Wasser und Lehm tatsächlich sehen?

Wer sein Herz wach hält, auch wenn das Auge seines Kopfes schläft, dem werden hundert Augen geöffnet.

Wenn du kein Mann des Herzens bist, sei wachsam; suche nach dem Herzen und kämpfe;

Doch wenn dein Herz erwacht, schlafe ruhig; dein Auge sieht die sieben Himmel und sechs Richtungen.

 

 

5: 869-871 und 874

Der Prophet hat gesagt: „Gott betrachtet nicht dein Äusseres, suche deshalb einen Herzbesitzer.“

Gott sagt: „Ich betrachte dich durch den Herzbesitzer und nicht, weil du dich niederwirfst und Gold weggibst.“

Wenn du dein Herz für dieses Herz gehalten hast, hast du die Suche nach einem, der ein Herz besitzt, aufgegeben.

Der Herzbesitzer wird zu einem sechsfachen Spiegel, durch den Gott in alle sechs Richtungen schaut.

 

 

5: 881-885

O reicher Mann, wenn du hundert Säcke Gold bringst, wird Gott sagen: „Bringe das Herz, o du Gebeugter.

Wenn du dem Herzen gefällst, bin Ich zufrieden; und wenn es dir abgeneigt ist, bin Ich dir abgeneigt.

„Ich betrachte nicht dich, Ich betrachte dieses Herz.“ Bringe es, o Seele, als Geschenk an Meine Tür.

So wie es zu dir steht, so stehe Ich zu dir: „Das Paradies liegt unter den Füssen der Mütter.“

Das Herz ist die Mutter und der Vater und der Ursprung aller Geschöpfe. Gesegnet ist, wer das Herz von der Haut unterscheiden kann.

 

 

3: 514-516

Ihr müsst den Fuss auf die Ebene des Herzens setzen, denn auf der Ebene des Lehms gibt es keine Erlösung.

Das Herz ist die Wohnstatt der Sicherheit, o Freunde; dort gibt es Springbrunnen und Rosengärten in Rosengärten.

Wendet euch dem Herzen zu und geht voran, o ihr Kameltreiber; dort drinnen gibt es hohe Bäume und reine Quellen mit fliessendem Wasser.

 

 

5: 2878-2883

Wenn im Herzen kein Licht ist, ist es kein Herz. Wenn im Körper kein Geist ist, ist er nur Erde.

Ein Glas ohne spirituelles Licht ist wie Harn und der Nachttopf; nenne es nicht eine Lampe.

Das Licht in der Lampe ist ein Geschenk des Allmächtigen; Glas und Tongefässe sind Handarbeiten Seiner Geschöpfe.

Töpfe haben notwendigerweise eine Anzahl, doch bei Licht gibt es nur Einheit.

Wenn das Licht von sechs Lampen vermischt wird, gibt es in ihrem Licht keine Zahl und Vielzahl.

Die Gefässe haben den Ungläubigen zum Götzenanbeter gemacht; der Gläubige betrachtet das Licht und erhält geistige Wahrnehmung.

 

 

 

SPIEGEL

2: 23-32

Gehe und suche sofort den Freund Gottes, wenn du das getan hast, ist Gott dein Freund.

Wer sich der Abgeschiedenheit zugewandt hat, der hat dies schliesslich vom Freunde gelernt.

„Man muss sich von Fremden trennen, nicht vom Freund“., der Pelzmantel ist für den Winter, nicht für den Frühling.

Wenn der Verstand sich mit einem anderen Verstand paart, wächst das Licht und der Weg wird deutlich;

Wenn die Triebseele mit einer anderen Triebseele lacht, wächst die Dunkelheit und der Weg bleibt verborgen.

Der Freund ist dein Auge, o Jägersmann; halte es rein von Stöcken und Strohhalmen.

Hab acht! Wirble mit dem Besen deiner Zunge keinen Staub auf, schenke deinem Auge keinen Unrat.

Da „der wahre Gläubige ein Spiegel für den wahren Gläubigen ist“, ist sein Gesicht vor Verunreinigung sicher.

Der Freund ist ein Spiegel für die bekümmerte Seele; hauche nicht auf die Oberfläche des Spiegels, o meine Seele!

Du musst deinen Atem dauernd anhalten, damit der Freund wegen deinem Atem sein Gesicht nicht bedecken muss.

 

 

2: 72-73

Wenn der Spiegel deines Herzens klar und rein wird, wirst du Bilder jenseits von Wasser und Erde sehen.

Du wirst sowohl das Bild als auch den Bildermacher sehen, sowohl den Teppich als auch den Teppichausbreiter.

 

 

2: 79-87

„Gott ist schön und liebt die Schönheit“ (Hadith); warum sollte ein frischer junger Mann eine alte Greisin erwählen?

Das Schöne zieht das Schöne an; wisse das. Rezitiere dazu Gute Frauen für gute Männer (Koran XXIV:26).

In dieser Welt zieht alles sich gegenseitig an: Das Heisse zieht das Heisse an und das Kalte das Kalte.

Das Wertlose zieht das Wertlose an; das Bleibende erfreut sich am Bleibenden.

Feuerwesen ziehen Feuerwesen an, Lichtwesen suchen nach Lichtwesen.

Wenn du dein Auge schliesst, fühlst du dich unbehaglich; wie kann sich das Licht des Auges ohne das Licht des Fensters entfalten?

Dein Unwohlsein ist das Licht in deinem Auge, das danach strebt, schnell mit dem Tageslicht vereint zu werden.

Wenn du dich mit offenen Augen unbehaglich fühlst, dann wisse, dass du das Auge deines Herzens geschlossen hast, öffne es.

Erkenne, dass das Streben des Auges deines Herzens darin liegt, nach dem unermesslichen Licht zu suchen.

 

 

2: 92-96

Wie, frage ich mich, kann ich meinem eigenen Gesicht ansehen, ob es die Hautfarbe des Tages oder der Nacht hat?

Eine lange Zeit habe ich das Bild meiner Seele gesucht, mein Bild wurde von niemandem widerspiegelt.

„Für was“, sagte ich „ist ein Spiegel schliesslich gut? Damit jeder weiss, was und wer er ist.“

Der Spiegel aus Eisen ist nur für die äussere Hülle; der Spiegel, der das Antlitz der Seele zeigt, ist von grossem Wert.

„Der Spiegel der Seele ist nichts anderes als das Antlitz des Freundes“ (Hadith), das Antlitz jenes Freundes, der aus jenem Gebiet kommt.

 

 

2: 100-110

Ich sah, dass du bis in alle Ewigkeit der Universelle Spiegel bist, ich sah mein eigenes Bild in deinem Auge.

Ich sagte: „Endlich habe ich mich gefunden; in seinen Augen habe ich den Weg des Lichtes gefunden.“

Meine Fantasie sagt: „Hab acht! Das ist nur dein Abbild; unterscheide dein Wesen von deinem Abbild“.

Mein Bild sprach aus deinem Auge: „Ich bin du und du bist ich in Einem;

Denn wie könnte ein Bild den Weg in dieses erleuchtete Auge finden, das niemals aufhört, die Wirklichkeit zu betrachten?“

„Wenn du dein Bild im Auge eines anderen als mir siehst, wisse, dass es ein Phantom ist und weise es zurück.

Denn er wendet die Augensalbe des Nichts an und trinkt den Wein der satanischen Verblendung.

Ihr Auge ist da Heim der Fantasie und des Nichts; folglich sieht es nichtexistente Dinge als existent an.

Da mein Auge die Salbe des Glorreichen erhalten hat, ist es das Heim der Existenz, nicht da Heim der Fantasie“.

Solange ein einziges Haar von dir vor deinem Auge liegt, macht deine Fantasie eine Perle zu Jaspis.

Du wirst erst dann Jaspis von Perlen unterscheiden können, wenn du dich vollständig von deiner Fantasie gelöst hast.

 

 

 

LIEBE (Ein Ausdruck der Sehnsucht im Suchen nach Beziehung)

3: 4391-4405

Mit Sicherheit gibt es ein Fenster von Herz zu Herz; die Herzen sind nicht getrennt und voneinander entfernt wie zwei Körper.

Die tönernen Gefässe zweier Leuchten sind nicht vereint, aber ihr Licht wird vermischt.

Kein Liebender sehnt sich in Wirklichkeit nach Vereinigung, ohne dass sein Geliebter sie ersehnt.

Doch die Liebe der Liebenden macht den Körper dünn wie eine Bogensehne, die Liebe der Geliebten macht ihn dagegen bezaubernd und beleibt.

Wenn der Blitz der Liebe zu Gott in deinem Herzen verdoppelt hat, liebt Gott dich ohne Zweifel auch.

Eine deiner Hände bringt ohne die andere Hand kein klatschendes Geräusch hervor.

Der Durstige stöhnt: „O köstliches Wasser!“ Auch das Wasser stöhnt und sagt: „Wo ist der Wassertrinker?“

Der Durst in unseren Seelen ist die Anziehung, die das Wasser ausübt: Wir gehören ihm, und es ist unser.

Gottes  weise Vorsehung und Sein weiser Ratschluss haben uns zu Liebenden gemacht.

Diese Vorsehung hat alle Atome der Welt paarweise mit einander verbunden und jedes Atom liebt seinen Partner.

Jedes Atom im Universum sehnt sich nach seinem Partner wie Bernstein das Stroh anzieht. *

Der Himmel sagt zur Erde: „Willkommen! Zu dir bin ich wie der Magnet zum Eisen.“

Die Vernunft sieht den Himmel als Mann und die Erde als Frau an: Was der Himmel auswirft, hegt und pflegt die Erde.

Wenn die Erde keine Hitze mehr hat, schickt der Himmel sie; wenn sie keine Frische und Feuchtigkeit mehr hat, gibt er sie.

 

*) Wenn man Stroh in die Nähe von Bernstein legt, wird es zu diesem hingezogen.

 

 

3: 4719-4724

Die Liebe ist beiden Welten fremd; zweiundsiebzig Verrücktheiten liegen in ihr.

„Sie ist ganz verborgen, nur ihre Verwirrung ist sichtbar, die Seele der spirituellen Sultane sehnt sich nach ihr.“ (Hadith)

Ihre Religion ist anders als die „zweihundertsiebzig Sekten“ (Hadith); neben ihr ist der Thron der Könige nur ein Folterstuhl.

Während dem sama* singt der Musikant der Liebe; „Dienerschaft ist eine Kette und Herrschaft ist Kopfschmerz.“

Was ist dann Liebe? Das Meer des Nichtseins, in dem die Vernunft untergeht.

Dienerschaft und Herrschaft sind bekannt; diese beiden Schleier verbergen den Zustand des Liebenden.

 

*) „Hören“, Meditation zu Musik, Drehritual der Mevlevi

 

 

6: 839-840

Das Kapital für den Markt dieser Welt ist Gold; im Jenseits ist das Kapital Liebe und zwei feuchte Augen.

Wer ohne Kapital zum Markt geht, dessen Leben geht vorbei und er kehrt bald enttäuscht zurück.

 

 

6: 910-915

Die Liebenden sind in einen wilden Strom gefallen; sie haben ihre Herzen auf den Ratschluss der Liebe gesetzt.

Wie Mühlsteine drehen sie sich Tag und Nacht im Kreis und stöhnen ununterbrochen.

Das Drehen des Mühlsteins ist der Beweis für die, welche den Fluss suchen, damit keiner sagen kann, der Fluss sei bewegungslos.

Wenn du den verborgenen Fluss nicht siehst, dann sieh das Drehen des himmlischen Wasserrades.

Da die Himmel keine Ruhe vor Ihm haben, such auch du, o Herz, wie die Sterne nicht nach Ruhe.

Wenn du einen Zweig zu packen bekommst, lässt Er dich dann daran festhalten? An was du auch hängst, Er wird es zerbrechen.

 

 

6: 1966-1974

Wie kann die Vernunft den Weg der Hoffnungslosigkeit einschlagen? Es ist die Liebe, die auf ihrem Kopf in diese Richtung läuft.

Die Vernunft ist berechnend, die Liebe nicht. Die Vernunft sucht das, was ihr Vorteil bringt.

Der Liebende ist tollkühn und glühend; im Leid ist er wie ein Mühlstein.

Er ist ein Draufgänger, der keinen Beschützer hat; er hat den Eigennutz in sich getötet.

Er opfert alles, er strebt nicht nach Belohnung, ebenso wie er alles Reine von Ihm erhält.

Gott gibt ihm ohne Grund seine Existenz. Der Edelmütige wiederum gibt sie ohne Grund auf.

Edelmut besteht darin, ohne Grund zu geben. Sich selbst zu opfern steht über jeder Religion.

Weil Religion darin besteht, Gottes Gnade oder Heil zu suchen, sind die Opferbereiten Gottes erwählte Lieblinge.

Weder unterziehen sie Gott einer Prüfung, noch klopfen sie an die Tür von Gewinn oder Verlust.

 

 

5: 3277-3285

In der Zeit der Trennung bildet die Liebe Fantasien; in der Stunde der Vereinigung zeigt sich der Gestaltlose,

Und sagt: „Ich bin der Ursprung des Ursprungs von Nüchternheit und Trunkenheit. Die Schönheit aller Formen ist eine Widerspiegelung von Mir.

Jetzt habe Ich die Schleier gelüftet; Ich habe die Schönheit ohne Vermittler erhöht.

Weil du lange mit Meiner Widerspiegelung beschäftigst warst, hast du die Kraft gewonnen, Mein Wesen blosszulegen.

Wenn Meine Anziehung wirksam wird, sieht der Christ den Mittelsmann Priester nicht mehr.“

Dann sehnt er sich wirklich danach, dass die verschleierte Gnade Gottes seine Sünden und Vergehen verzeiht.

Wenn eine Quelle aus einem Felsen sprudelt, verschwindet der Fels in der Quelle.

Danach nennt niemand ihn mehr „Stein“, denn man sieht, dass eine reine Substanz aus dem Fels sprudelt.

 

 

5: 2726-2732

Alles ausser der Liebe wird von der Liebe verschlungen. Für den Schnabel der Liebe sind beide Welten nur ein einzelnes Korn.

Verschlingt ein Korn je den Vogel? Ernährt sich der Heuschober je vom Pferd?

Diene Gott, damit du vielleicht ein Liebender wirst. Dienst ist ein Mittel, Liebe zu erreichen; Dienst ist wirkungsvoll.

Der Diener wünscht, von seinem Schicksal erlöst zu werden; der Liebende dagegen wünscht, nie mehr frei zu sein.

Der Diener strebt immer nach höherem Sold und einem Ehrengewand; das Ehrengewand des Liebenden ist der Anblick des Geliebten.

In der Sprache und dem Hören findet die Liebe keinen Platz; die Liebe ist ein Meer mit unsichtbarem Grund.

Die Tropfen dieses Meeres sind unzählbar. Die Sieben Meere sind im Vergleich zu diesem Meer nichts.

 

 

3: 1436-1441

Gehe und suche solch eine Liebe, wenn du lebendig bist; sonst bist du ein Sklave der veränderlichen Zeit.

Beachte deine hässliche oder schöne Form nicht; beachte die Liebe und den Gegenstand deiner Suche.

Beachte die Tatsache nicht, dass du verachtenswert oder schwach bist; schaue auf dein Streben, o Edler.

In welchem Zustand du dich auch befindest, suche weiter; o du mit den trockenen Lippen, suche immer nach dem Wasser.

Denn deine trockenen Lippen legen Zeugnis dafür ab, dass sie schliesslich die Quelle erreichen werden.

Die Trockenheit der Lippen ist die Botschaft des Wassers, dass diese Ruhelosigkeit dich gewiss zu ihm bringen wird.

 

 

5: 1163-1170

Du fliehst wegen einer einzigen Erniedrigung vor der Liebe; was weisst du über die Liebe ausser ihren Namen?

Die Liebe kennt hundert Liebkosungen und Dünkel. Liebe wird durch hundert Schmeicheleien gewonnen.

Da die Liebe treu ist, will sie einen Treuen; sie schaut nicht nach einem untreuen Gefährten.

Der Mensch gleicht einem Baum, dessen Wurzel der Bund mit Gott ist. Die Wurzel muss mit ganzer Kraft gehegt werden.

Ein zerbrechlicher Bund ist eine verfaulte Wurzel, die keine Frucht und Gnade hervorbringt.

Auch wenn die Zweige und Blätter der Dattelpalme grün sind, nutzt dieses Grün nicht, wenn die Wurzel verfault ist.

Und wenn der Zweig keine grünen Blätter hat, aber eine gute Wurzel, werden schliesslich hundert Blätter ihre Hände ausstrecken.

Lasse dich nicht von Wissen täuschen, suche nach dem Bund. Wissen ist wie die Schale, und der Bund ist sein Kern.

 

 

5: 409-416

Nur die Liebe ist es wert, verfolgt zu werden, doch wie könnte Er in irgendeine Falle gehen?

Vielleicht kommst du und wirst Seine Beute, dann kannst du dich deiner Falle entledigen und in Seine Falle gehen.

Die Liebe sagt sehr sanft in mein Ohr: „Beute zu sein ist besser als Jäger zu sein.

Lass dich von Mir verleiten und täuschen; verzichte auf den Rang der Sonne, werde ein Atom!

Bleibe still an Meiner Tür und sei heimatlos; gib nicht vor, eine Kerze zu sein, sei ein Falter.

Damit du den Geschmack des Lebens schmecken und die im Dienst verborgene Herrschaft betrachten kannst.“

Auf dieser Welt sieht man alles verkehrt herum; der Titel „König“ wird Gefangenen verliehen.

Manchem, der es verdient, mit einem Strang um den Hals auf den Galgen zu steigen, ruft die Menge zu: „Seht, ein Monarch!“

 

 

 

 

ASHQ (höchste oder göttliche Liebe, Suche nach letzter Verschmelzung)

3: 4129-4138

Was Gott zur Rose gesagt hat und was sie zum Erblühen gebracht hat, hat Er zu meinem Herzen gesagt und es so noch hundertmal schöner gemacht.

Er gab meinem Herzen das, was die Zypresse berührte und sie aufrecht werden liess, und das, an dem die Narzisse und die Wildrose teilhaben.

Und das, was die Seele und das Herz des Zuckerrohrs süss gemacht hat und das, was den Erdbewohnern die Gestalt Cegels* verlieh;

Und das, was die Augenbraue so entzückend und das Gesicht rosenfarbig wie die Granatapfelblüte gemacht hat;

Das, was der Zunge hundert Zaubersprüche und der Mine reines Gold gegeben hat.

Als die Tür der Waffenkammer geöffnet wurde, wurden die verliebten Blicke zu Bogenschützen,

Die Pfeile in mein Herz schossen und mich melancholisch machten und verliebt in Dankbarkeit und Süsse.

Ich liebe den Einen, dem alles gehört; Vernunft und Seelen werden von einem Wort von ihm zum Leben gebracht.

Ich übertreibe nicht, und wenn ich übertreibe, dann wie wenn Wasser sagen würde: „Es ist nicht schwierig für mich, Feuer zu löschen:“

Wie könnte ich stehlen, wenn Er der Hüter des Schatzes ist? Wie könnte ich nicht draufgängerisch sein? Er ist meine Hilfe.

 

*) Stadt in Turkmenistan, deren Bewohner für ihre Schönheit bekannt sind.

 

 

5: 586-595

„Für die Liebenden ist Er Freude und Kummer, Er ist der Lohn und die Heuer für ihren Dienst.“

„Wenn es für sie eine andere Sehenswürdigkeit als den Geliebten gibt, so ist das keine Liebe, sondern eitle Leidenschaft.“

Die Liebe ist eine Flamme, die beim Auflodern aller ausser dem Geliebten verzehrt.

Der Liebende zückt das Schwert des Nichts*, um alles ausser Gott zu töten, bedenke also, was nach dem Nichts  noch bleibt.

Es bleibt ausser Gott: alles andere ist vergangen. Heil dir, o mächtige Liebe, Zerstörerin der Vielgötterei!

Wahrlich, Er ist der Erste und der Letzte. Sieh, dass Vielgötterei nur aus einem doppelt sehenden Auge entspringt.

Es wäre ein Wunder, wenn es etwas Schönes gebe, das kein Abbild von Ihm ist. Der Körper bewegt sich nur durch die Seele.

Der Körper, der Mängel in seiner Seele hat, wird niemals lieblich sein, auch wenn du ihn mit Honig einschmierst.

Das weiss, wer eines Tages lebendig war und einen Becher von dieser Seele der Seelen erhalten hat.

 

*) Das Nichts aus dem Bekenntnis: „Es gibt keinen Gott ausser Gott“.

 

 

1: 1740-1741

Wen du als Liebenden ansiehst, den betrachte als Geliebten, denn er ist gleichzeitig das eine wie das andere.

Wenn die Durstigen Wasser in dieser Welt suchen, so sucht auch das Wasser in dieser Welt die Durstigen.

 

 

3: 4620-4623

Er sagte: „Die Liebende sucht glühend nach dem Geliebten: Wenn der Geliebte kommt, ist der Liebende dahin:“

Du liebst Gott, und Gott ist so, dass kein Haar von dir bleibt, wenn Er kommt.

Bei Seinem Anblick verschwinden hundert wie du; ich glaube, mein Freund, du bist in die Verneinung deiner selbst verliebt.

Du bist ein Schatten und in die Sonne verliebt: Die Sonne kommt und sofort verschwindet der Schatten.

 

 

1: 109-117

Verliebtheit zeigt sich in Krankheit des Herzens; der Liebeskrankheit ist keine andere Krankheit vergleichbar.

Das Gebrechen des Liebenden ist ein besonderes Gebrechen: Liebe ist das Astrolab* zu Gottes Mysterien.

Ob diese Liebe nun von dieser Welt oder der anderen ist: Sie führt uns schliesslich immer zu Ihm.

Wie ich Liebe auch beschreiben und erklären will, wenn ich zu ihr komme, schäme ich mich dafür.

Mag auch die Zunge manches erklären, Liebe ohne Zunge macht es klarer.

Die Feder beeilt sich, zu schreiben, wenn sie zur Liebe kommt, zerbricht sie.

Die Vernunft liegt hilflos wie ein Esel im Schlamm, wenn sie die Liebe erklären soll, nur die Liebe selbst kann die Liebe und den Liebenden erklären.

Die Sonne selbst ist der Beweis für die Sonne“ (Hadith), suchst du einen Beweis, wende dich nicht von ihr ab!

Wenn der Schatten auch einen Hinweis auf sie gibt, so gibt doch die Sonne jederzeit geistiges Licht.

 

*) Das Astrolab zeigt die Positionen von Sonne und Sternen und wurde im Mittelalter zur Navigation verwendet.

 

 

5: 2740-2744

„Ich habe die Himmelsphäre hoch oben errichtet, damit du die Erhabenheit der Liebe verstehst.

Die Himmelsphäre bringt noch weiteren Nutzen; sie ist wie ein Ei und der Nutzen folglich wie das Huhn.

Ich habe die Erde niedrig gemacht, damit du einen Eindruck von der Demut der Liebenden erhältst.

Wir haben der Erde Grüne und Frische gegeben, damit du mit der Verwandlung des Derwischs vertraut wirst.“ (Hadith)

Die fest gefügten Berge beschreiben dir den Zustand der standfesten Liebenden.

 

 

6: 4040-4049 und 4052-4053

Wenn die Seele mit Gott vereint ist, ist Reden über Gott Reden über die Seele und Reden über die Seele Reden über Gott.

Sie war frei von Selbst und mit Liebe zu ihrem Geliebten erfüllt, und man sagt: „Aus dem Topf tropft das, was darin ist.“

Der Duft des Safrans der Vereinigung erzeugt Lachen; der Geruch der Zwiebel der Abwesenheit bringt Tränen hervor.

Jeder trägt hundert Wünsche in seinem Herzen, aber das ist nicht der Weg der Liebe und Freundschaft.

Wenn der Geliebte kommt, erhellt die Sonne der Liebe den Tag; die Sonne ist ein Schleier vor seinem Antlitz.

Wer den Schleier nicht vom Antlitz unterscheiden kann, ist ein Sonnenanbeter. Halte dich von ihm fern.

Gott ist sowohl der Tag des Liebenden als auch sein tägliches Brot; Er ist sowohl das Herz des Liebenden als auch das Brennen in dessen Herzen.

Die Fische erhalten ihr Brot, ihr Wasser, ihre Kleidung, ihre Heilmittel und ihren Schlaf direkt vom Wasser.

Der Liebende ist wie ein Kind, das von der Brust Milch erhält: Es kennt nichts auf beiden Welten als die Milch.

Das Kind kennt die Milch und kennt sie doch nicht.  Vernünftige Überlegungen haben hier keinen Zutritt.

Wie kann er Gott finden? Wer Gott findet, verliert sich in Ihm. Wie ein Fluss wird er vom Meer verschluckt.

Erst wenn der Samen in der Erde verloren geht, wird er zum Feigenbaum.

 

 

2: 1375-1381

Wenn in der Gegenwart von Königen auch Lebensgefahr besteht, können die furchtlosen Strebenden doch nicht von Ihm ablassen.

Denn der König ist süsser als Zucker, es ist besser, wenn das Leben diese Süsse geopfert wird.

O Tadler, die Sicherheit sei dein! O Sucher nach Sicherheit, lasse mich in Ruhe und gehe deinen Weg!

Meine Seele ist ein Ofen; sie fühlt sich beim Feuer wohl; es reicht dem Ofen, das Haus des Feuers zu sein.

Für die Liebe wie für den Ofen gibt es etwas zu verbrennen; wer dafür blind ist, ist kein Ofen.

Wenn der Proviant der Proviantlosigkeit dein Proviant geworden ist, hast du ewiges Leben erlangt, und der Tod ist besiegt.

Wenn der Schmerz deine Freude vergrössert hat, wachsen im Garten deiner Seele Rosen und Lilien.