pattern6

Aschk (Gottesliebe) bei Mevlana

(von Şefik Can Efendi)

Jeder Heilige hat eine sich selber entsprechende Neigung. Mevlana sprach am meisten über die Liebe und die Liebenden. Deshalb hat man ihm den Beinamen „Sultan der Liebenden“ gegeben. In einem seiner Vierzeiler sagt er den berühmten Satz: „Der Weg unseres Propheten ist die Liebe. Wir sind die Söhne der Liebe, auch unsere Mutter ist die Liebe.“
Tatsächlich hat Mevlana in all seinen Werken dieses Thema am meisten behandelt. Manche Geschichten des  Mesnevi sowie die bewegenden Gedichte des Divan-i Kebir erzählen am meisten von der Liebe.
Die Liebe, die Mevlana anspricht, ist nicht die vergängliche, irdische Liebe, es ist auch nicht die metaphorische Liebe, die kommt und wieder geht. Die Liebe, von der er spricht, ist die Gottesliebe, die Liebe, die man für Allah empfindet.

Denn es ist so sinnlos, das Herz an etwas Vergängliches, etwas das nicht andauert, zu hängen. Die Jahreszeiten und die Schönheiten sind alle vergänglich. Mevlana denkt sich aus, wie die Sonne im Frühling zu den Blumen spricht, wenn diese in Freude erblühen, lachen und mit dem säuselnden Wind ihr Spiel treiben:
„Oh ihr lachenden Blumen und Pflanzen, wartet nur, bis ich gegangen bin. Dann werdet ihr euch sehen! Jetzt seit ihr voller Freude und denkt nicht daran, wie ihr endet. Die Menschen, die Jungen und die Schönen, sind auch so wie ihr. Die Schönen blühen wie die Blumen und sind stolz auf ihre schönen Körper. Sie schauen in den Spiegel und freuen sich, denn die Seele, die in ihnen steckt, gibt ihnen Kraft, Leben und Freude. Die Seele ruft zum Körper, der seiner materiellen Schönheit wegen der Eitelkeit verfällt: Du lebst mit meinem Licht, weshalb dann dieser Stolz? Durch die Kraft, die ich dir gebe, bewegst du dich, freust du dich ein paar Tage. Denkst du, diese materielle Welt wird nie enden? Deine Eitelkeit und dein Hochmut überschreiten die Grenzen. Warte nur, bis ich dich verlassen habe, dann wirst du sehen, wie du endest. Die Menschen, die dich sehr geliebt haben, werden dir dein Grab schaufeln und dich den Ameisen und Schlangen zum Frasse geben. Selbst der, der sich viele Male für dich opferte, wird sich die Nase zuhalten vor deinem Gestank.“
(Mesnevi, B. I, Nr. 3265)

„Während ich die Liebe zu beschreiben und erklären versuche, schäme ich mich über das, was ich gesagt habe, wenn die Liebe selbst mich erreicht. Meine Feder eilt auf dem Papier. Doch wenn sie zum Thema gelangt, die Liebe zu beschreiben, wird sie aufgeregt, kann es nicht aushalten und bricht entzwei. Der Verstand, der versucht die Liebe zu erklären, versinkt wie ein Esel im Sumpf. Nur die Liebe selbst kann die Liebe und den Liebenden erklären. “
(Mesnevi, B. I, Nr. 112)